Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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zu den seltenen Ausnahmen gehörte, in dem sehr viel bedeutsameren Bundesrat 
für die Mehrzahl der Regierungen die Regel bildet. Die Frequenzlisten der 
Bundesratssitzungen weisen nach, daß in der Regel von den 25 verbündeten 
Staaten nur 10 bis 11, in seltenen Fällen bis zu 14 die Sitzungen durch 
eigene Bevollmächtigte beschict haben. In den 29 Sitzungen der laufenden 
Session sind Lippe, Reuß jüngerer Linie, Reuß älterer Linie, Anhalt, Sachsen- 
Coburg-Gotha überhaupt niemals, Schaumburg-Lippe 1 mal, Schwarzburg- 
Sondershausen 6 mal, Schwarzburg-Rudolstadt 4 mal, Sachsen-Altenburg 
1 mal, bei der Eröffnung, Sachsen-Meiningen 6 mal, Oldenburg 10 mal, 
Sachsen-Weimar 10 mal durch eigene Bevollmächtigte vertreten gewesen, also 
entweder in allen Sitzungen oder doch in der großen Mehrzahl derselben nur 
im Wege der Substitution. Das von der Verfassung gesuchte Gleichgewicht 
im Stimmenverhältnis wird durch diese Gewohnheit einigermaßen aleterirt. 
Wenn auch nicht zu erwarten ist, daß die leitenden Minister für die ganze 
Dauer der Sessionen von ihrer Heimat abwesend sein können, so sollte man 
doch meinen, daß die Mitwirkung im Bundesrat für jede der verbündeten 
Regierungen wichtig genug wäre, um durch irgend eine eigene Vertretung 
wenigstens an den bedeutsameren Sitzungen teilzunehmen. 
Wir glauben, daß es die Aufgabe des Präsidiums sein wird, der 
Schädigung, welche die Entwicklung unseres Verfassungslebens durch Ver- 
minderung der Teilnahme an den Arbeiten des Bundesrats erleiden kann, 
durch Anträge auf eine Reform der Geschäftsordnung entgegenzuwirken. Die 
Arbeiten des Bundesrats sind nicht alle von gleicher Wichtigkeit, und für die 
geringeren bedarf es nicht der Anwesenheit leitender Minister. Es dürfte des- 
halb angezeigt sein, eine Sonderung der Arbeiten vorzunehmen, vermöge 
welcher die wichtigeren derselben sich auf einen Zeitabschnitt zu konzentriren 
hätten, der so kurz zu bemessen sein würde, daß er den leitenden Ministern die 
Teilnahme ohne Schädigung ihrer verantwortlichen Geschäfte in der engeren 
Sphäre gestattete. Die Durchführung einer solchen Scheidung und ihre An- 
wendung namentlich auf alle legislativen Maßregeln erscheint uns nicht 
übermäßig schwierig. Nur gehört dazu allerdings eine gewisse Selbstbeschränkung 
in den legislativen Arbeiten der einzelnen Regierungen, so daß Anträge auf 
neue Gesetze oder wichtigere allgemeine Verordnungen nur in einem gewissen 
Zeitraume zulässig wären, und diejenigen, welche bis zum Abschluß desselben 
nicht eingeliefert werden können, ausnahmslos auf das nächste Jahr zu ver- 
weisen sein würden. Wir glauben nicht, daß unsere Gesetzgebung durch eine 
Minderung der Hast, mit welcher sie nicht selten betrieben worden ist, wesentlich 
verlieren würde."“ 
Nach einer Notiz im Abendblatt der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“" 
von demselben Tage (Nr. 164) wurden in Bundesratskreisen selbst Zweifel 
gehegt, ob der kritische Beschluß des Bundesrats als ein formell unanfaßbarer
	        
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