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und unwiderruflicher anzusehen sei. „Wenn man nach der Geschäftsordnung
des Bundesrats die Uebertragung der Stimmen von einem Mitgliede auf das
andere als zulässig ansehen will, so werde man dies doch nur können im Sinne
augenblicklicher Erleichterung der Geschäfte. Aber man werde schwerlich be—
haupten wollen, daß es im Sinne der Institution des Bundesrats liege, wenn
während einer ganzen Legislaturperiode einzelne Bundesstaaten ihre Stimmen
im Bundesrat so gut wie niemals führen, sondern im Wege der Substitution
sich vertreten lassen. Es hört damit die Verantwortlichkeit der Bundes-
regierungen, die so verfahren, sowohl gegen ihr eigenes Land wie gegen das
Reich auf, zu dessen Gedeihen mitzuwirken sie verfassungsmäßig die Pflicht
haben."“
Endlich bemerkte die „Nordd. Allg. Ztg.“ in der Nr. 166 vom 9. April
1880 an leitender Stelle: „Ueber das inzwischen vorläufig erledigte Abschieds-
gesuch des Reichskanzlers sind mannigfache und zum Teil sehr unrichtige An-
gaben telegraphisch verbreitet worden. In einer derselben findet sich folgender
Passus:
„Die Minister Bitter und Hofmann, letzterer namentlich als Chef einer
Reichsbehörde, scheinen sich nicht zeitig genug mit dem neuernannten Kom-
missar im Bundesrate, Geheimrat Fischer (von der Postverwaltung) ins Be-
nehmen gesetzt zu haben, da sonst ein derartiger Widerspruch unter den Reichs-
behörden wohl nicht möglich gewesen wäre.“
Diese Darstellung beruht auf einer unvollkommenen Kenntnis der Ver-
fassung und der Gesetze. Ein Widerspruch unter den Reichsbehörden ist bei
Abstimmungen überhaupt niemals zulässig oder gesetzlich genommen „möglich“.
Die Reichsbehörden sind nicht anders vertreten, als insoweit die Chefs der
meisten von Seiner Majestät dem Könige von Preußen ein Mandat als
preußische Bevollmächtigte zum Bundesrat erhalten haben. Keiner von ihnen
ist daher in der Lage, sich mit einer Königlich preußischen Abstimmung in
Widerspruch zu setzen. Die Abstimmungen des Bundesrats können nach Art. 6
der Reichsverfassung nur einheitlich abgegeben werden. Diese einheitliche Ab-
gabe erfolgt durch den stimmführenden preußischen Bevollmächtigten, d. h. der
Regel nach, wenn er anwesend ist, durch den Reichskanzler und, wenn er ab-
wesend ist, durch den von ihm in der Stimmführung Substituirten, in vor-
liegendem Falle den Minister Hofmann. Gegen diese im Namen des Königs
abgegebene preußische Abstimmung kann weder von einem anderen preußischen
Bevollmächtigten, mag derselbe außerhalb des Bundesrats Chef einer Reichs-
behörde sein oder nicht, und noch viel weniger von einem Kommissar eines
solchen ein Votum abgegeben oder auch nur eine Erinnerung erhoben werden.
Etwaige abweichende Meinungen der Chefs der Reichsbehörden kommen in den
Ausschußverhandlungen und in den Korrespondenzen der Ministerien unter ein-
ander vollständig zur Geltung, wenn sie rechtzeitig angebracht werden. In der