Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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ein Bevollmächtigter, also etwa der preußische, mit Hilfe einiger, dreizehn 
Stimmen vertretenden Substitutionen in den Besitz der Majorität aller Stimm— 
rechte des Bundesrats gelangen könnte, und zwar so, daß eine Diskussion 
gegen den Willen dieser personifizirten Majorität nicht mehr möglich wäre. 
Theoretisch wäre sogar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß sämtliche 
58 Stimmen durch Substitutionen in einer Hand vereinigt würden, und doch 
wird niemand annehmen, daß das Reich verpflichtet sein könne, eine derartige 
Aufsaugung des korporativen Elementes in der höchsten Behörde sich gefallen 
zu lassen. Ein analoges Recht des Widerspruchs aber hat, wie ich glaube, 
ein jedes Mitglied dieser Versammlung auch gegen eine teilweise Absorption 
der von der Verfassung gewollten Mannigfaltigkeit der Stimmführung, 
Die Gründe, welche wegen der finanziellen Last der Vertretung von ver- 
schiedenen Seiten für die mangelhafte Beschickung des Bundesrats in den letzten 
Jahren geltend gemacht worden sind, kann ich als ernsthaft nicht anerkennen 
gegenüber der Thatsache, daß von jedem Mitgliede des Reichstags erwartet wird, 
der Session ohne Entschädigung beizuwohnen, während die Gewählten doch nur 
ausnahmsweise in einer auch nur dem kleinsten Bundesstaate analogen Ver- 
mögenslage sich befinden und außerdem, wenn sie nicht Beamte sind, erhebliche 
Verluste in ihrer erwerbenden Berufsthätigkeit erleiden. Tie Vertreter einer 
Bundesregierung würden in der Regel Beamte sein und mit einem diätarischen 
Zuschuß, wie ihn die Abgeordneten zum preußischen Landtage beziehen, ohne 
finanzielle Bedrückung der Steuerpflicht ihrer Heimat sehr wohl einige Monate 
hier anwesend sein können. Sie würden dabei Gelegenheit finden, für finanzielle 
Reformen in dem Sinne hier thätig zu sein, daß der Staat, den sie vertreten, 
mehr als ihre Diäten an Matrikularbeiträgen ersparte. 
Ich bin nach dem Vorstehenden der unmaßgeblichen Ansicht, daß § 2 der 
Geschäftsordnung vom 27. Februar 1871 mit der Verfassung nicht verträglich 
ist, und daß alle Bundesstaaten ein Recht darauf haben, daß jeder unter ihnen 
seinen eigenen Bevollmächtigten habe oder als unvertreten im Sinne der Ver- 
fassung angesehen werde. 
Der § 3 der Geschäftsordnung enthält manche überflüssige Wiederholungen 
klarer Vorschriften der Verfassung. § 6 beschränkt die Gegenstände der Ver- 
handlungen des Bundesrats in einem mit den Thatsachen nicht im Einklang 
stehenden Maße. 
Die bisherige Praxis der Geschäftsordnung geht bei wichtigen Fragen in 
der Regel dahin, daß dieselben einem der Ausschüsse überwiesen und in dem- 
selben bis zur Abstimmung fertiggestellt werden, so daß die letztere meistens 
nur im Anschluß an das Ausschußgutachten möglich wird. Es dürfte hierin 
eine Erschwerung der freien Bewegung des Plenums liegen, welche auch den 
in dem betreffenden Ausschuß vertretenen Bundesmitgliedern nicht immer er- 
wünscht und bequem sein wird. Ich erlaube mir deshalb, für eventuelle Revision
	        
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