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Vor der Einreichung des Entlassungsgesuchs 1) soll Bitter dem Kanzler in
einem Schreiben hiervon Mitteilung gemacht haben, welches von der selbständigen
Haltung des Finanzministers dem Fürsten Bismarck gegenüber Zeugnis ablegte.
Der letztere soll das Schreiben dem Ministerrate mitgeteilt und dieser darauf
einstimmig beschlossen haben, Sr. Majestät die Annahme des Entlassungsgesuches
anzuraten. Der Kaiser soll zunächst das Material zur Beurteilung der Diffe-
renzen zwischen dem Kanzler und Bitter eingefordert haben.2)
Aus der dreijährigen Wirksamkeit Bitters als Finanzminister ist zuerst die Be-
seitigung des Defizits zu erwähnen, welches er in einzelnen Verwaltungen nicht
minder als im Gesamthaushalt des Staates vorfand. Sodann ist der Anteil
an dem Zollanschluß Hamburgs und an der Einbeziehung der Unterelbe in
die Zollgrenze 3) hervorzuheben.
An die Aufgabe der Finanzreform, dem Reich und dem Staat neue Mittel
zuzuführen, um neuen Aufgaben zu genügen, namentlich aber an den Stellen
Erleichterung zu schaffen, wo die bestehenden Auflagen, besonders bei der Not-
wendigkeit ihrer Vervielfältigung durch Kommunalzuschläge, allzu drückend ge-
worden sind, setzte der Minister seine ganze Kraft. Aber es gelang ihm nicht,
für seine Vorschläge das Entgegenkommen der parlamentarischen Körperschaften
zu finden, weder im Reichstag, obwohl er die Vorlagen zur Annahme bei den
verbündeten Regierungen gebracht hatte, noch im Landtag.")
1) Zur Vorgeschichte desselben wurden noch folgende Details erzählt: Der Reichs-
kanzler hatte in einem an den Kaoiser erstatteten Bericht Beschwerde über die Geschäfts-
behandlung Bitters geführt, welcher fortwährend Bedenken erhöbe. Der Kaiser soll an den
Rand des ihm eingereichten Memoires die Worte geschrieben haben: „Das ist seine Pflicht
als Finanzminister.“ Der Kaiser hatte namentlich die Anschauung des Herrn Bitter ge-
billigt, daß die Resultate der Eisenbahnverstaatlichungen abgewartet werden müßten, ehe
zu neuen Verstaatlichungen zu schreiten wäre. Eine weitere Eingabe des Fürsten Bismarck
an den Kaiser über das Verhalten des Finanzministers soll darauf gefolgt sein. Ueber
den Inhalt derselben, die eine gewisse Erregung nicht verborgen haben soll, geben vielleicht
die Reden des Reichskanzlers am 12. und 14. Juni gelegentlich des Tabakmonopols einige
Fingerzeige. So sugte Fürst Bismarck am 14. Juni: „Die Unmöglichkeit, Sachen rasch zu stande
zu bringen, geht in Preußen schon aus dem Zustande hervor, den Sie als Palladium der
Freiheit betrachten, daß das Staatsministerium ein per majora abstimmendes Kollegium ist,
welches unter gegenseitigen Repliken, Dupliken und Quadrupliken, unter gelegentlicher Ein-
wirkung Seiner Majestät sehr allmälich und schwierig mit seinen Entschlüssen zu stande kommt.“
2) Ueber die Verabschiedung des Finanzministers Bitter von den Beamten seines
Ministeriums vgl. die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 308 v. 5. 7. 82. Einige Würdigungen
seiner Ministerwirksamkeit finden sich in der „Nat.-Ztg.“ Nr. 282 v. 20. 6. 82. Ueber die
Trauerfeier nach seinem Ableben s. die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 430 v. 15. 9. 85.
3) Vgl. mein Werk „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck“ Bd. 1
Nr. 176. Vgl. auch die Nr. 179, 182, u. Bd. II. S. 31 Note 2, S. 35 Note 2 u.
Nr. 19 u. 20, 50, 53 u. 54.
4) Stimmen der Presse beim Abgang Bitters, über seine Leistungen und sein Ver-
bältnis zu Bismarck s. „Post“ Nr. 167 v. 23. 6. 82, „Rheinisch-Westf. Ztg.“ Nr. 143