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Seitdem der Bundesrat funktionirte, war Preußen schon mehrfach bei den
Abstimmungen in der Minderheit geblieben. In dieser Session ereignete es sich
nun zum ersten- und letztenmal, daß Fürst Bismarck den Fall sehr ernst nahm,
daran ein Entlassungsgesuch (6. April) knüpfte und im weiteren Verlauf den
Vorgang benutzte, um mit verschiedenen Mißständen, welche sich im Geschäfts—
gang des Bundesrats eingeschlichen hatten, gründlich aufzuräumen. i)
Am 10. April 1880 traf behufs Ausgleichung der Differenz zwischen dem
Bundesrat und dem Reichskanzler und Beseitigung der dadurch eingetretenen
Reichskanzlerkrisis der württembergische Minister Frhr. v. Mittnacht in Berlin ein.
Ein von der bayerischen Regierung (gez. v. Rudhart) ausgehender Antrag an
den Bundesrat, die Beratung über den Ausschußbericht zum Stempelsteuergesetz
wieder aufzunehmen, war ungefähr in folgender Weise motivirt: „Bei Beratung
über den Bericht in der Bundesratssitzung vom 3. April wurden verschiedene
Amendements gestellt, über deren Tragweite nicht alle Bundesregierungen recht-
zeitig und vollständig genug informirt werden konnten, um ihre stimmführenden
Bevollmächtigten mit genaueren Instruktionen versehen zu können.“
In der Sitzung vom 12. April 1880 wurde der vorbezeichnete Antrag
Bayerns einstimmig angenommen und daraufhin der Gesetzentwurf alsbald
einer nochmaligen Beratung unterzogen. Die letztere schloß sich an die Er-
gebnisse der Beratung vom 3. April an, wobei allseitiges Einverständnis
darüber bestand, daß die am 3. April gefaßten Beschlüsse in Kraft blieben,
soweit nicht bei dieser erneuten Beratung eine Abänderung derselben be-
schlossen wurde.
Zu Abschnitt IV des Entwurfs, betreffend die Besteuerung der Quittungen,
erneuerte der Königlich preußische Bevollmächtigte, Staats= und Finanzminister
Bitter den Antrag: die Nummer 5 (nun 4) der Befreiungen zu fassen, wie
folgt: „Quittungen der Transportanstalten über Personengeld und Frachtgeld
und Quittungen über die von Post= und Telegraphen-Anstalten geleisteten Er-
stattungen und Ersatzbeträge“.
Der Staatsminister Frhr. v. Mittnacht erklärte hierzu: Nach der den
württembergischen Bevollmächtigten für die Beratung vom 3. April erteilten
die Anwendung der Quittungssteuer auf die Postanweisungen aus, der Vertreter der Post
erklärte sich aus technischen Gründen dagegen und wurde namentlich von Württemberg
darin sekundirt. Die Bundesratsmitglieder, welche mit Substitutionsvollmacht andere
Staaten vertraten, marschirten mit gebundener Marschroute, da sie ihren Instruktionen
nachkommen mußten. Der Königlich sächsische Bevollmächtigte Held vertrat außer seinem
eigenen Lande Sachsen-Weimar; er stimmte für die vier sächsischen Stimmen für die Be-
steuerung der Postanweisungen; für Sachsen-Weimar stimmte er gegen diese Besteuerung.
Es gab dies den Ausschlag gegen die Vorlage.“
1) Das Nähere über die Kanzler= und Bundesratskrisis vom April 1880 ist bereits
oben S. 130 ff. mitgeteilt. Hier gilt es nur noch zu berichten, welche neue sachliche Beschlüsse
der Bundesrat in Sachen des Quittungsstempels faßte.