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Beschlusses vor den Reichstag, wie Herr Richter nach der „Norddeutschen
Zeitung“ eine Thatsache ganz richtig angeführt hat, über die Unfallstatistik,
über welche Beschlüsse vorlagen, die weiter zu befördern im Namen des Kaisers
ich mit meiner Verantwortlichkeit nicht verträglich gefunden habe. Ich habe deshalb
diese Handlung unterlassen. Man kann nun das Verfassungsrecht fragen: war
ich berechtigt, diese Handlung zu unterlassen? war der Keiser berechtigt, die
Handlung zu unterlassen? oder war Seine Majestät der Kaiser verfassungs-
mäßig verpflichtet, den Beschluß des Bundesrats vorzulegen?
Ich habe diese Frage einmal bei Herstellung der Verfassung mit einem sehr
scharfen Juristen erörtert, der lange in einer hohen juristischen Stellung bei uns
war und noch ist, Herrn Pape. Der sagte mir: der Kaiser hat kein Veto. Ich
sagte: verfassungsmäßig hat er es nicht, aber denken Sie sich den Fall, daß
dem Kaiser eine Maßregel zugemutet wird, die er nicht glaubt erfüllen zu können,
oder eine solche, die er glaubt erfüllen zu können, sein zeitiger Kanzler warnt
ihn aber und sagt: hierzu kann ich nicht raten, das kontrasignire ich nicht.
Gut nun, ist der Kaiser denn dann in diesem Falle verpflichtet, einen
anderen Kanzler zu suchen, seinen Widerstreber zu entlassen? Ist er verpflichtet,
einen jeden zum Kanzler zu nehmen, der ihm etwa von anderer Seite vor-
geschlagen wird? Wird er sich den zweiten, dritten suchen, die beide sagen:
die Verantwortlichkeit hierfür, für diesen Gesetzentwurf können wir nicht durch
die Vorlage im Reichstag übernehmen? Darauf hat mir Herr Pape geantwortet:
Sie haben recht, der Kaiser hat ein indirektes und faktisches Veto.
Ich gehe so weit nicht einmal, sondern alle diese Sachen werden nicht so
haarscharf durchgedrückt. Nehmen Sie also einen konkreten Fall, an dem sich
solche Sachen am besten erläutern, nehmen Sie an, daß die Majorität des
Bundesrats mit Zustimmung Preußens dieses Gesetz beschlossen hat, und wobei
in Preußen der Formfehler gemacht worden ist, daß der zur Instruktion der
Vertretung im Bundesrat berufene preußische Minister der auswärtigen Angelegen-
heiten nicht zugezogen worden ist, um die Instruktion zur Zustimmung zu
erteilen; aber ich nehme an, Preußen hat zugestimmt, dieser Minister wäre
zugezogen und wäre auch im preußischen Ministerium in der Minorität geblieben,
und der Kaiser trägt ihm auf, nun diese Beschlüsse dem Bundesrat und dem
Reichstag vorzulegen, der Kanzler sagt: das glaube ich nicht verantworten, nicht
verantwortlich vollziehen zu können, dann ist die erste Möglichkeit, daß Seine
Majestät der Kaiser sagt: dann muß ich mir einen anderen Kanzler suchen, —
die ist nicht eingetreten, die zweite ist eingetreten, daß die Vorlage unterblieben
ist. Dadurch ist nun die Situation geschaffen, in der, wenn es einen Klage-
berechtigten gibt, ein solcher nur in der Majorität der Regierungen, im Bundesrat,
die diesen Beschluß gefaßt haben, gesucht werden kann.
Es ist nun der weitere Weg gegeben — ich glaube auch, daß solcher Weg
in schweren Fragen bis ans Ende gegangen werden würde, aber wenn man