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lichen Vorträge bei Bismarck einschränkte, soviel es nur immer ging; die Folge
davon war, daß er mehr und mehr die Fühlung mit dem Kanzler verlor, bis
dieser ihn einmal zu seiner Ueberraschung fragte, ob er nicht die Stelle des
Staatssekretärs im Ministerium für Elsaß-Lothringen annehmen wolle. Am
17. August 1880 erfolgte Hofmanns Verabschiedung als Staatssekretär des
Innern und preußischer Handelsminister. 1)
Die „National-Zeitung“ schrieb in einem Artikel, worin sie die staats-
männische Wirksamkeit des Staatsministers Hofmann zusammenfaßte:
„Unter Hofmanns Verwaltung ist das einst so umfassende Reichskanzler-
Amt Stück für Stück seiner Befugnisse entkleidet worden, die zu besonderen
Reichsämtern sich auswuchsen; nach der Wegnahme der Reichs-Finanzverwaltung
blieb nur noch ein geringer Rest, dann wurde auch der Name Reichskanzler-
Amts-Präsident ad acta verschrieben. Der Staatssekretär des Innern trat
in die Reihe der anderen Staatssekretäre ein.
Für die so sich steigernde Trockensetzung seiner Stellung konnte Herrn
Hofmann auch das nicht entschädigen, was vom preußischen Handelsministerium
übrig blieb, nachdem der Bautenminister und der Kultusminister die prinzipalen
Teile davongetragen hatten. Hofmann zieht sich jetzt auf ein Verwaltungsamt
zurück, das während des Höhestands des Reichskanzler-Amts nicht viel mehr
als ein Annex desselben war.
So bildet in dem Schauspiel der Personalveränderungen und der Behörden-
schiebungen der letzten Jahre die Berufung, Wirksamkeit und der Abgang des
Herrn Hofmann eine der merkwürdigsten Episoden. Man muß zugeben, daß
Herr Hofmann auf den exponirtesten Posten plazirt wurde und gerade da, wo
die materiellen und formellen Neuerungen, die wirtschaftlichen und politischen
Pläne des Reichskanzlers ansetzen sollten. Auch eine Persönlichkeit, die festere
Wurzeln im preußischen Dienst geschlagen gehabt hatte, würde hier den schwierigsten
Standpunkt gefunden haben. Da, wo Delbrück die Stellung nicht mehr haltbar
fand, konnte sie Hofmann nicht behaupten. An ausdauerndem Fleiß, an Eifer
für den Dienst, an der Bemühung, sich in so eigentümliche Verhältnisse hinein-
zuarbeiten, hat Hofmann es sicher nicht fehlen lassen. Seine Sachkenntnis und
hervorragende Begabung wurden allgemein anerkannt, wie die Milde und das
Wohlwollen seines Wesens. Allein alle diese Eigenschaften, die ihn zum Aus-
weichen sehr geschickt machten, konnten über die wachsenden inneren und äußeren
Unmöglichkeiten seiner Stellung nicht hinweghelfen.
Hofmann hat als Minister eines kleinen und eines großen Staates gewirkt;
seine Vorbildung befähigt ihn daher, beinah als Spezialität eine Art von
1) Ein in Kohls Bismarck-Regesten übersehenes Schreiben des Reichskanzlers (J. V.
Hofmann) an den deutsch-israelitischen Gemeindebund, betreffend die Anerkennung des Ver-
söhnungsfestes als Feiertag, d. d. 20. April 1878, findet sich in der „Voss. Ztg.“ Nr. 215
v. 13. 9. 78.
Poschingen, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 19