— 293 —
Bismarck beschlossene Errichtung einer besonderen Abteilung für Handel und
Gewerbe im Reichsamt des Innern,!) durch den Einfluß, den Boetticher bei
Bismarck gewann (Hofmann hatte zuletzt die Fühlung mit dem Reichskanzler
verloren), durch die Ernennung Boettichers zum Generalstellvertreter des Reichs-
kanzlers an Stelle des abgegangenen Grafen zu Stolberg-Wernigerode, durch
die Betrauung Boettichers mit einer Art von Stellvertretung Bismarcks auch
in den laufenden Geschäften des preußischen Handelsministeriums, endlich durch
seine Ernennung zum Vize-Präsidenten des Staatsministeriums. So kam es,
daß das Reichsamt des Innern unter Beoetticher noch einmal einen schönen
Aufschwung nahm. 2) Zwar wurde Beetticher nie eine Art von major domus
wie Delbrück, aber er war doch zeitweilig nächst Bismarck der einflußreichste
Beamte im Reiche und in Preußen.
1. Vorsitz im Bundesrat.
Der Aufgabe, Bismarck im Vorsitz des Bundesrats zu ersetzen, entledigte
sich Boetticher entschieden besser als sein Vorgänger Hofmann. Er war hier
ganz in seinem Fahrwasser und verstand es meisterhaft, die Bevollmächtigten
stets bei guter Laune zu erhalten. Ueber manche epinöse Fragen wußte er
mit bewundernswerter Geschicklichkeit hinwegzugleiten und manche der Reichs-
regierung unbequeme Anträge resp. Abstimmungen aus dem Wege zu schaffen.
Der gemütliche Ton, den er auch hier, gleichwie im Reichstag, anzuschlagen
wußte, konnte der Erledigung der Geschäfte sicherlich zum Vorteil gereichen.
Die „National-Zeitung“ bemerkte beim Abgang Beettichers: „Seine
Leistungen in der Leitung des Bundesrats sind wahrscheinlich sehr viel be-
deutsamer gewesen, als man in weiteren Kreisen weiß oder annimmt. Bis
1890 stand hinter dem Minister v. Boetticher, wenn er im Bundesrat den
Vorsitz führte oder in den Ausschüssen desselben die Geschäfte förderte, der
Schatten des Kanzlers Bismarck. Daß dort auch nach 1890 alles, soweit
bekannt, ungefähr ebenso glatt verlief wie vor diesem deutschen Schicksals-
jahre, war in erster Reihe das Verdienst des Herrn v. Beoetticher, seiner Er-
fahrung und Geschäftskenntnis, seiner Geschicklichkeit in der Behandlung der
Menschen, seiner sympathischen Persönlichkeit.“
2. Im Reichsamt des Innern.
Boetticher hatte im gedachten Amte fast 17 Jahre lang gewirkt; geschäftlich
hat er sich auf den einzig richtigen Standpunkt gestellt, sich nur um die
1) Vergl. mein Werk: „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck"
Bd. II S. 2.
2) Nur der Schwerpunkt der Handelspolitik ging dem Amt allmälich verloren, ist
aber jetzt erfreulicherweise wieder gewonnen worden.