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größeren Fragen zu bekümmern und das ganze Detail den ausgezeichneten
Kräften zu überlassen, welche ihm in der Leitung des ausgedehnten Amtes
beigegeben waren. Er besah von den Eingängen des Amtes nur jene, welche
ihm der Unterstaatssekretär respektive die Direktoren vorlegten, und zeichnete
nichts von dem, was in die laufende Verwaltung einschlug. Bei den Vor-
trägen zeigte er eine glänzende Auffassungsgabe; dabei fand er in den ver-
wickelten Fragen stets einen Ausweg, an den der Referent nicht gedacht hatte.
Er liebte die Knoten mehr zu lösen als sie zu durchhauen. An den ihm vor-
gelegten Angaben machte er nur selten Aussetzungen, und was noch anzuerkennen
ist: wenn er einmal eine Entschließung getroffen hatte, dann blieb er dabei.
Seines Beamtenkörpers nahm sich Boetticher mit großer Wärme an, —
und zwar gilt dies von dem ersten bis zu dem letzten Beamten. Er sorgte
väterlich für Avancement, Gehaltserhöhungen, Schaffung neuer etatsmäßiger
Stellen, Orden, Erholung, Remunerationen und zeigte sich besonders wohlwollend
bei Erteilung langer Urlaube an Beamte, welche ohne diese Vergünstigung
gezwungen gewesen wären, ihren Abschied zu nehmen. Alles in allem kann
man nur sagen: seine Beamten haben ihn nur ungern scheiden sehen.
In der strammen Unterstellung des Staatssekretärs unter den Reichskanzler
änderte sich unter Boetticher nichts. Und wenn unter ihm der Kanzler weniger
häufig als unter Delbrück und Hofmann die einschlägigen strengen Direktiven!)
in Erinnerung brachte, so hängt dies damit zusammen, daß Boetticher die meisten
Angelegenheiten persönlich mit Bismarck besprach.
3. Stellvertreter Bismarcks in der Leitung der Reichsbank.
Der erste Absatz des § 26 des Reichsbankgesetzes vom 14. März 1875
lautet: „Die dem Reiche zustehende Leitung der Bank wird vom Reichskanzler
und unter diesem vom Reichsbank-Direktorium ausgeübt.“ Im Centralblatt
für das Deutsche Reich, Nr. 52 vom 24. Dezember 1880, 2) war verkündet:
Seine Moajestät der Kaiser habe auf Grund der gedachten Gesetzesbestimmung
mit der Stellvertretung Bismarcks in der Leitung der Reichsbank den Staats-
sekretär des Innern, Staateminister v. Boetticher, beauftragt.
4. Betrauung mit der generellen Stellvertretung des Reichskanzlers.
Mitte Juni 1881, 3) nach dem Rücktritt des Grafen Otto zu Stolberg-
Wernigerode, erfolgte die Beauftragung Boettichers mit der „generellen Ver-
1) Ich meine die Weisung, die Geschäfte nur nach Bismarcks Intentionen zu führen,
nichts zu beginnen, ohne den Kanzler zu fragen, und in einer begonnenen Sache keinen
entscheidenden Schritt zu machen, ohne sich wiederum seines Einverständnisses versichert zu
baben. Vgl. mein Werk: „Fürst Bismarck als Volkswirt“, Bd. I S. 91.
2) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähntes Datum.
3) Dieses Datum ist in Kohls Bismarck-Regesten übersehen.