Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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tretung des Reichskanzlers“. Die amtliche Verkündigung lautete: „Seine Majestät 
der Kaiser haben Allergnädigst geruht, bis auf weiteres den Staatsminister, 
Staatssekretär des Innern v. Boetticher mit der allgemeinen Stellvertretung 
des Reichskanzlers nach Maßgabe des Gesetzes vom 17. März 1878 § 2 zu 
beauftragen.“ 
„Bis auf weiteres“ erfolgt thatsächlich jede Ernennung; die ausdrückliche 
Anwendung der Klausel im vorliegenden Falle schien andeuten zu sollen, daß 
Herrn v. Boetticher die Stellvertretung des Kanzlers nicht so, wie es bei dem 
Grafen Stolberg der Fall war, als integrirender Bestandteil seiner amtlichen 
Stellung, sondern nur interimistisch übertragen worden war; das Definitivum 
konnte sich aus diesem Interimistikum entwickeln; es sollte aber allem Anschein 
nach der Fall ausdrücklich vorbehalten werden, daß ein anderer „Vizekanzler“ 
ernannt würde, während Beoetticher alsdann in seiner bisherigen Stellung 
verbliebe. 
Fortan ergingen die Schreiben v. Boettichers unter drei verschiedenen 
Firmen: der Staatssekretär des Innern, der Reichskanzler und der Stellvertreter 
des Reichskanzlers. 
5. Boetticher als stellvertretender Handelsminister. 
Boettichers Amtsvorgänger im Reiche, Hofmann, war auch Handelsminister. 
Nach dessen Uebertritt in das Ministerium von Elsaß-Lothringen übernahm der 
Kanzler selbst das Handelsministerium, und er entfaltete daselbst besonders zu 
Anfang eine sehr rege Thätigkeit. Bald stellte sich aber das Bedürfnis heraus, 
auch hier eine Vertretung zu schaffen, und diese erhielt ebenfalls der Staats- 
minister v. Boetticher, wodurch die frühere Personalunion des Reichsamts des 
Innern und des preußischen Handelsministeriums thatsächlich wiederhergestellt war. 
Die erste Nachricht von der Bestellung eines Gehilfen in der Leitung der 
Geschäfte des Handelsministeriums erfolgte am 28. Oktober 1880. Nicht durch 
eine amtliche Publikation, sondern nur durch ein Entrefilet in der offiziösen 
Presse erfuhr man, daß Boetticher den Handelsminister so weit zu vertreten habe, 
als die Vertretung eines Ministers durch einen anderen zulässig ist. Der Kanzler 
ließ in der „Nordd. Allgem. Ztg.“ erklären, seine Absicht sei, die anstrengenden 
Arbeiten wieder aufzunehmen, sobald seine Gesundheit es ihm gestatte, namentlich 
in Betreff aller derjenigen Geschäfte, welche in das Gebiet der Vorbereitung 
der Reichsgesetzgebung gehören. Die laufenden Geschäfte im Handelsministerium 
zu übernehmen, habe niemals in der Absicht Bismarcks gelegen. „Man kann 
doch wirklich dem Fürsten Bismarck, weil er wichtige Organisationen im 
Handelsministerium vorhat, nicht zumuten, jeden Immediatbericht wegen Er- 
nennung eines Kommerzienrates zu unterzeichnen. Der Unterstaatssekretär kann 
es nicht, und darum soll es ein verantwortlicher Minister thun.“
	        
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