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Boetticher viermal, Geheimrat Lohmann einmal. Er wurde bekanntlich wegen
vorzeitigen Schlusses des Reichstags nicht zu Ende beraten.
Die Krankenversicherung der Arbeiter.
Der dem Reichstag vorgelegte erste Unfallversicherungsentwurf enthielt eine
Bestimmung, nach der die Entschädigung für die ersten vier Wochen einer durch
Unfall herbeigeführten Erwerbsunfähigkeit nicht Gegenstand der Unfallversicherung
sein sollte, und die Motive des Entwurfs nahmen, um diese Lücke auszufüllen,
eine Revision der das Krankenkassenwesen der Arbeiter regelnden Gesetzgebung
in Aussicht, durch die den Arbeitern auch für die ersten vier Wochen der Er—
werbsunfähigkeit eine angemessene Unterstützung gesichert werden würde.
Im November 1881 ließ Bismarck durch Rottenburg Herrn v. Beetticher
sagen, daß er gegen die gesetzliche Regelung der Krankenversicherung nichts ein-
zuwenden habe, nur müsse dieselbe in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Unfallversicherung geregelt werden, „da beide eng mit einander zusammenhingen“.1)
Später (27. Februar 1882) versöhnte er sich mit der Aufstellung von zwei
gesonderten Entwürfen, die er im einzelnen genau prüfte und formulirte. 2)
Zur Verteidigung der Regierungsvorlage im Reichstag sprach Bosse neun-
mal, der Geheimrat Lohmann dreißigmal, v. Boetticher einmal.
Der dritte Unfallversicherungsentwurf.
Auch an dem dritten Unfallversicherungsentwurf war der Geheimrat Loh-
mann zu Anfang noch durch Aufstellung von Grundzügen beteiligt. Als er
aber die von Bismarck gebieterisch verlangte berufsgenossenschaftliche Organisation
der Arbeiterversicherung für bedenklich erklärte, war Bismarck darauf angewiesen,
sich nach neuen Hilfsarbeitern umzusehen. 3)
1) Aktenstücke Bd. II. S. 71 f.
2) Aktenstücke Bd. II. S. 76.
3) In der Form einer Polemik gegen die „Germania“, welche sich darüber beklagt
hatte, daß die Regierung die „berufsgenossenschaftlichen Organisationen“ scheue, bemerkte die
„Nordd. Allg. Ztg.“ vom 25. Sept. 1883 in einem offenbar aus dem Kanzlerpalais in-
spirirten Artikel: „Als eine Unwahrheit können wir es bezeichnen, wenn die „Germania“
behauptet, daß die Regierung die Grundlage der berufsgenossenschaftlichen Organisation
scheute und „trotz der Kaiserlichen Botschaft“ verschmähte. Wir wissen nicht, was das Zentrum
bierbei unter „Regierung“ versteht, das aber wissen wir, daß der Reichskanzler, und wir
glauben auch, die Mehrheit des Bundesrats, an der berufsgenossenschaftlichen Or-
ganisation der Arbeiterversicherung unbedingt festhält. Der Reichskanzler ist zwar seit
Jahresfrist durch schwere Krankheiten verhindert gewesen, sich an der Förderung der von
ihm angeregten sozialen Resorm in gleichem Maße, wie bei Vorbereitung der früheren
Vorlagen zu beteiligen, aber wir wissen aus guter Quelle, daß er an den in der Kaiserlichen
Botschaft gegebenen Grundzügen festhält und die Beibehaltung der Berufsgenossenschaften