— 307 —
Zu Anfang beabsichtigte Bismarck zunächst, den Geheimrat Gamp aus
dem Handelsministerium allein mit der weiteren Bearbeitung des Unfallver—
sicherungsgesetzes zu betrauen. Derselbe erhielt durch Vermittlung des Unter-
staatssekretärs v. Moeller den Auftrag, Grundzüge für ein neues Unfallver-
sicherungsgesetz, und zwar auf der Grundlage einer berufsgenossenschaftlichen
Organisation, aufzustellen. Später erhielt der Geheime Regierungsrat Bödiker
aus dem Reichsamt des Innern den Auftrag, sich auch seinerseits an die Aus-
arbeitung von Grundsätzen für Unfallversicherung auf berufsgenossenschaftlicher
Grundlage zu machen. Beide Arbeiten wurden dem Fürsten nach Friedrichsruh
übersandt, der auf den Wunsch Beoettichers sich damit einverstanden erklärte,
daß die weitere Bearbeitung der Materie durch die Geheimräte Bödiker und
Gamp gemeinsam erfolgen solle, und zwar fiel dem letzteren die Ausarbeitung
der allgemeinen, dem ersteren die Ausarbeitung der speziellen Bestimmungen zu.
Nachdem Mitte November 1883 v. Boetticher deren Entwürfe nach Friedrichsruh
geschickt hatte, wurden am 29. November daselbst in einer Konferenz Bismarcks
mit den gedachten Geheimräten unter Anwesenheit des Direktors Bosse und des
Staatssekretärs des Innern die Grundzüge des neuen Unfallversicherungsgesetzes
definitiv festgesetzt.
Die Friedrichsruher Beratung am 29. November war eine sehr eingehende
und nahm viele Stunden in Anspruch; es wurden alle wesentlichen Bestimmungen
ausführlich besprochen und von Bismarck auch in einer Reihe von Detailfragen
Entscheidung getroffen. Bismarck wünschte — ich folge hier zunächst einer mir
gemachten Mitteilung des Geheimrats Gamp — die Unfallfürsorge zunächst
auf die in den Fabriken und ähnlichen Anlagen beschäftigten Arbeiter zu be-
schränken und begründete diese Ansicht damit, daß, je breiter die Basis, desto
größer auch die Angriffsfläche sei. Er wünsche durch diese Beschränkung keines-
wegs das Ziel an sich kürzer zu stecken, sondern er wolle nur den Weg be-
quemer gestalten. Je dunkler und unerforschter der Weg, desto vorsichtiger
müsse man sein. Würden im Reichstag weitergehende Anträge gestellt, so sei
er bereit, denselben zu entsprechen.
Bei der Frage, ob die Gruben aufgenommen werden sollten, hielt Bismarck
es für nötig, ausdrücklich festzustellen, daß Torf-, Kies= und ähnliche Gruben
nicht, sondern nur die bergmännisch betriebenen Kohlen= 2c. Gruben unter das
Gesetz fielen; dem Richter gegenüber müsse man vorsichtig sein; viele derselben
nähmen das pereat mundus viel zu ernst.
Bismarck wollte jeden Bureaukratismus und Schematismus bei der
Organisation und Verwaltung der Berufsgenossenschaften ausscheiden. In den
als Unterlage der Arbeiter-Unfallversicherung nicht nur formell angeordnet, sondern von
derselben auch seine fernere amtliche Mitwirkung bei den Geschäften abhängig gemacht hat.“
Vergl. hierzu auch die „Nat.-Ztg.“ Nr. 450 v. 25. 9. 83 und das „Berl. Tagebl."“ Nr. 450
v. 26. 9. 83.