Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Motiven sollte ein ungefährer Umriß in Bezug auf die zu bildenden Organi— 
sationen gegeben werden; im übrigen sollten die Genossenschaften möglichst frei 
in Bezug auf die Organisation sein. Nur die Leistungsfähigkeit der Berufs- 
genossenschaften müßte unbedingt gefordert werden. Zehn chemische Fabriken 
oder Pulverfabriken könnten unter Umständen als durchaus leistungsfähig an— 
gesehen werden. 
Schon bei der Beratung dieser Vorlage in Friedrichsruh vertrat Bismarck 
wiederholt und nachdrücklich den Standpunkt, daß sich das Gewicht des Reichs- 
kanzlers zu stark entwickelt habe und daß man bemüht sein müsse, dem entgegen- 
zuarbeiten und den Bundesrat mehr in den Vordergrund zu schieben. 1) Dadurch 
würde auch die Verantwortlichkeit für die sachgemäße Durchführung des Gesetzes 
für die Reichsorgane vermindert. 
Für die Berufsgenossenschaften müsse die Gleichartigkeit der wirtschaftlichen 
Interessen maßgebend sein. Nur Organisationen, die auf dieser Gleichartigkeit 
beruhten, könnten lebensfähig sein; fehle diese Gleichartigkeit, so sei das Band 
ein lockeres; auch solle man die auf dieser Grundlage bereits gebildeten Organi- 
sationen nicht zerschlagen. Es müsse aber Fürsorge getroffen werden, daß 
etwaige Mißgriffe und Irrtümer ohne Mühe korrigirt werden könnten. Eine 
obligatorische Abstufung der Beiträge nach Gefahrenklassen sei notwendig. (Es 
ist nicht möglich, daß diese Bemerkung des Fürsten Bismarck Boetticher zu 
der Bemerkung in dem Interview Veranlassung gegeben hat.) Der Reichs- 
beitrag dürfe prinzipiell und definitiv nicht aufgegeben werden. Frühestens 
nach zehn bis fünfzehn Jahren würde man übersehen können, ob auf den Reichs- 
zuschuß definitiv würde verzichtet werden können. Jeder Tag habe seine eigenen 
Sorgen, und es sei nicht weise, die Sorgen der Zukunft freiwillig auf die 
Gegenwart zu übernehmen. 
Dem bei dieser Gelegenheit wohl zum erstenmal eingehend erörterten Ge- 
danken der Errichtung einer Arbeitervertretung stand Bismarck durchaus sympathisch 
gegenüber und meinte, daß eine solche Arbeitervertretung auch zu der schieds- 
richterlichen Thätigkeit herangezogen werden könne. Ein „Syndikat der Arbeiter“ 
sei ein stachliger Kaktus, der von den Gegnern nicht so fest angefaßt werden 
würde als die „champagnersaufenden Großgrundbesitzer". 
Bei der Unsicherheit der politischen Zukunft sei es seine Aufgabe, ein 
Programm aufzustellen, das für sich selbst und durch sich selbst wirke. Selbst 
die thörichten Schwätzer müßten durch ein solches Programm gezwungen werden, 
dasselbe weiter durchzuführen. Er schrecke nicht vor Versammlungen von 
Tausenden von Arbeitern zurück; man müsse aber auch den Mut haben, wenn 
Ausschreitungen vorkämen, denselben kraftvoll und mit Energie entgegenzutreten. 
1) Nach Bismarcks Ansicht sollte das Reichs-Versicherungsamt in dem Bundesrat durch 
einen besonderen Ausschuß vertreten sein. Bismarck dachte auch an eine Substitutionsbefugnis 
für die Mitglieder des Bundesrats im Reichs-Versicherungsamt.
	        
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