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Näheres über den Verlauf der Friedrichsruher Konferenz erfahren wir
noch aus einer Ansprache, die der Präsident des Reichs-Versicherungsamts
Dr. Bödiker am 14. November 1897 bei seinem Ausscheiden aus dem ge—
dachten Amt gegenüber einer Deputation des „Verbandes der deutschen Be—
rufsgenossenschaften“ gehalten hat, der ihm eine kostbare Ehrengabe als ein
sichtbares und persönliches Zeichen der Anerkennung überreicht hatte. Nach
Entgegennahme der Ehrengabe dankte Dr. Bödiker mit warmen Worten für
diesen großen abermaligen Beweis des Wohlwollens, der ihn fast erdrücke
und in keinem Verhältnis zu seinen geringen Verdiensten stehe, und sprach
von der Entstehung der Berufsgenossenschaften, über deren Ausgestaltung
Fürst Bismarck vor jetzt vierzehn Jahren in Friedrichsruh eine denkwürdige
Instruktion erteilt habe. Auf möglichst freier Basis, in freier Bewegung
sollten die Berufsgenossenschaften gebildet werden. Existenzfähigkeit und gegen—
seitige Anerkennung der Zusammengehörigkeit seien als die leitenden Gesichts—
punkte zu betrachten. „Hütten haben eine andere Sorte von Arbeitern als
Bergwerke, die beiderseitigen Arbeiter begrüßen sich nicht als Berufsgenossen,“
sagte er. „Die Genossenschaften sind möglichst homogen zusammenzusetzen, sonst
wird das Band lockerer und die Institution für weitere Zwecke unfähiger; ich
bin für viele selbständige Genossenschaften. Eine gesetzliche Festlegung der
Gruppen empfiehlt sich nicht, weil wir der Führung der Erfahrung folgen
müssen; Sachkunde und Wunsch müssen entscheiden. Der Bundesrat muß die
Wünsche möglichst respektiren, vorhandene Gebilde nicht zerschlagen. Nicht die
Gruppirung im Reichstag mit deutscher Gründlichkeit diskutiren lassen. Diesen
Flammennährer der Diskussion nicht zuführen.“ Und wie Fürst Bismarck mit
diesen Worten das Rechte getroffen habe, so sehr, daß die vor dreizehn Jahren
frei gebildeten Berufsgenossenschaften noch heute zu allgemeiner Zufriedenheit un—
verändert fortbeständen, so habe er gewissermaßen auch schon den Verband der
Berufsgenossenschaften vorhergesehen. Er habe von einem „zentralen Zusammen—
schluß“ der Arbeitgeber auf Grund der Berufsgenossenschaften gesprochen, deren
Delegirte ebenso wie Delegirte der Arbeiter in das Reichs-Versicherungsamt
aufgenommen werden sollten, um dieses zugleich mit einem Ausschuß des
Bundesrats in ihm so vertrauenswürdig wie möglich zu gestalten. Zwar sei
im Gesetze eine zentrale Zusammenschließung der Berufsgenossenschaften nicht
vorgesehen, aber in dem Verband sei der Gedanke de facto verwirklicht, und er
(Bödiker) freue sich, bei diesem Anlaß noch einmal dafür Zeugnis ablegen zu können,
wie der Verband insbesondere auch unter seiner gegenwärtigen umsichtigen und
eifrigen Leitung sowohl die Interessen und Aufgaben der Berufsgenossenschaften
gefördert, als auch dem Reichs-Versicherungsamt alle Zeit die Erfüllung seiner
Aufgaben erleichtert habe. Mit um so größerer Freude nehme er (Bödiker) aus
der Hand der in dem Verbande vereinigten Vorstandsmitglieder diese für ihn
unvergleichlich wertvolle Ehrengabe dankbar entgegen.