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schrift versehene Vorlage im Stadium der Reichstagsberatungen modifiziren.
Diese und die vorhergehende Frage wurde zum Ausgangspunkt der damaligen
Kanzlerkrisis, deren Verlauf und Abschluß zu schildern den Rahmen dieses Buches
überschreiten würde.
Unterstaatssekretär im Ministerium für Elsaß-Lothringen
Dr. v. Mayri)
(geboren 12. Februar 1841)
wurde im Jahre 1872 nach Ablehnung der Berufung als erster Direktor des
Kaiserlichen Statistischen Amts in Berlin zum Ministerialrat im bayerischen
Staatsministerium des Innern, Abteilung für Landwirtschaft, Handel und
Gewerbe, ernannt, unter Belassung in seiner Stellung als Vorstand des König-
lichen Statistischen Bureaus und Universitätsprofessor. Als Ministerialrat hatte
er in der für die Umgestaltung des deutschen Zolltarifs bedeutungsvollen Zeit
(1878 und 1879) das Dezernat für Zoll= und Handelspolitik, soweit daran
das Ministerium des Innnern als der Nachfolger des vormaligen Handels-
ministeriums beteiligt war.
In der Zeit vom Oktober bis zum Dezember 1877 hatte Mayr in der
„Augsburger Allgemeinen Zeitung“ eine Artikelserie veröffentlicht, die als „Vor-
bereitende Studien zur Frage der Einführung des Tabakmonopols im Deutschen
Reich“ bezeichnet waren (später zusammengefaßt in der Schrift: „Das Deutsche
Reich und das Tabakmonopol“, Stuttgart 1878). Diese Artikel gaben den
Anlaß, daß Fürst Bismarck durch den preußischen Gesandten in München
die Einladung an Mayr ergehen ließ, sich zu ihm nach Berlin zu begeben.
Am 9. März 1878 traf Mayr in Berlin ein und fand alsbald eine Ein-
ladung zum Diner bei Bismarck an demselben Tage vor. 2) Bei dem Diner
(im engsten Familienkreise) äußerte sich der Fürst unter anderem, noch erregt
durch die vorhergegangene Reichstagssitzung, in eingehender Weise über die
innere politische Lage und insbesondere über die Störung, welche Laskers Ein-
greifen gegenüber vernünftigen Elementen seiner Partei verursache.
Nach dem Kaffee wurde Mayr von Bismarck in dessen Arbeitszimmer
geführt. Dort ging der Fürst mit demselben zunächst den Gesetzentwurf,
1) Dr. Georg v. Mayr wurde in MWürzburg geboren. Noch fünfjährigem rechts-
und staatswissenschaftlichem Studium bestand er im Jahre 1862 die erste, im Jahre 1865
die zweite Prüfung. Im Jahre 1865 promovirte er als Doktor der Staatswissenschaft in
München. Im Jahre 1866 habilitirte er sich in der staatswissenschaftlichen Fakultät der
Universität München als Privatdozent; in demselben Jahre wurde er zum Assistenten des
Vorstands des Königlich bayerischen Statistischen Bureaus ernannt. Im Jahre 1868 erfolgte
seine Ernennung zum außerordentlichen Professor und im Jahre 1869 zum Vorstand des
Königlich bayerischen Statistischen Bureaus. "
2) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähnt.