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betreffend statistische Erhebungen über die Tabakfabrikation, durch, der Mayr
kurz vorher zugestellt worden war. Zum Schluß der Besprechung bemerkte der
Fürst, er sehe, daß Mayr ein rascher Arbeiter sei, und „daß wir wohl auch
ferner zusammen arbeiten könnten; wir sind ja beide aus demselben Reich"“. Im
übrigen bezogen sich die weiteren Darlegungen des Fürsten nicht mehr speziell
auf die Tabaksteuer= oder Tabakmonopolfrage, sondern er nahm Anlaß, im
weiteren Verlauf der Konferenz in erschöpfender Weise ein Programm seiner
gesamten finanzpolitischen und der auf das Verkehrswesen bezüglichen wirtschafts-
politischen Pläne zu entwickeln. In letzterer Hinsicht legte Bismarck insbesondere
dar, daß er die Idee der Reichseisenbahnen aufgegeben habe und die Einrichtung
eines preußischen Eisenbahnministeriums betreibe. Durch die Reichseisenbahnidee
sei übrigens die Tariffrage in Fluß gebracht worden; besonders betonte Bismarck
dabei die Beseitigung der Differenzialtarife. In finanzpolitischer Beziehung
machte Bismarck außer dem Finanzbedürfnis des Reichs selbst insbesondere das
Bedürfnis der Erleichterung der Bevölkerung an direkten Staats= und Kommunal-=
steuern geltend; er nahm eine Kräftigung der Reichsfinanzen um rund 300 Mil-
lionen Mark in Aussicht, insbesondere aus dem Tabakmonopol, dem Zurcker-
monopol, einer Branntweinsteuer und mäßiger Erhöhung verschiedener Finanz-
zölle. Am 29. März 1878 war Mayr wiederum zum Diner bei Bismarck
geladen;:) nach demselben erhielt er vom Fürsten den Auftrag, eine Denkschrift
über die deutsche Steuer= und Zollpolitik auszuarbeiten. Mayr machte sich
sofort an die Arbeit und legte am 2. April 1878 die „Denkschrift über die
Grundzüge der künftigen Steuer= und Zollpolitik des Deutschen Reichs“ dem
Fürsten Bismarck vor.
Der im weiteren Verlauf des damaligen Berliner Aufenthalts Mayr seitens
des Fürsten Bismarck ausgedrückte Wunsch, daß Mayr in nähere Beziehungen
zum preußischen Finanzminister treten möge, fand bei letzterem keinen Widerhall.
Im Jahre 1878 nahm Mayr auf Veranlassung des Fürsten Bismarck an
der Vernehmung des Sachverständigen Pösche aus Washington über die Tabak-
besteuerung in den Vereinigten Staaten teil, welche vom 18. bis 20. Juli im
Reichskanzler-Amt durch die Tabak-Enquête-Kommission vorgenommen wurde.
(Vgl. Bericht dieser Kommission Band IV; weitere Anlage Nr. IV S. 1 u. ff.)
In demselben Jahre beteiligte sich Mayr, gleichfalls auf Veranlassung des Fürsten
Bismarck, als Reichskommissar an den Beobachtungen und Untersuchungen über
die nordamerikanische Tabakfabrikatsteuer, welche von einer durch das Reichs-
kanzler-Amt berufenen Kommission in den Vereinigten Staaten an Ort und
Stelle vorgenommen wurden. Von dem in den Verhandlungen der Tabak-
Enquête-Komission veröffentlichten Reisebericht dieser Kommission hat Mayr,
wie in dem Bericht bemerkt ist, die Einleitung zusammen mit dem Geheimen
1) In Kohls Bismarck-Regesten gleichfalls unerwähnt.