— 26 —
die Gefängnisstrafe beginnen mit Einzelhaft. Zuchthaussträflinge, welche sechs
Monate, und Gefängnissträflinge, welche drei Monate in Einzelhaft zugebracht
haben, können auf Anordnung des Vorstandes in Gemeinschafthaft versetzt werden,
wenn ihr Zusammensein mit anderen nach ihrem Betragen und ihren Eigen—
schaften für unnachteilig erachtet wird. Eine solche Anordnung ist jederzeit
widerruflich. Die Zustimmung des Sträflings zur Verlängerung der Einzelhaft
über die Dauer von 3 Jahren hinaus kann nach Ablauf eines jeden ferneren
Jahres widerrufen werden. Sträflinge, welche das 18. Lebensjahr nicht vollendet
haben, können bis zur Dauer von drei Monaten in Einzelhaft gehalten werden.
Zu einer längeren Anwendung der Einzelhaft bedarf es der Genehmigung der
Aufsichtsbehörde. Sträflinge, welche sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte
befinden, können bei Gemeinschaftshaft die Absonderung von solchen Gefangenen,
welche die Rechte nicht besitzen, verlangen. Einzelhaft ist ausgeschlossen, wenn
Gefahr für den geistigen oder körperlichen Zustand zu befürchten steht. Jeder
Sträfling in Einzelhaft ist täglich mindestens viermal zu besuchen. Hierbei sind
Besuche von Personen, welchen der Zutritt bewilligt worden ist, mitzuzählen.
An Disziplinarstrafen gegen Sträflinge sind folgende zulässig: 1. Verweis,
2. Entziehung gesetzlicher oder hausordnungsmäßiger Vergünstigungen bis zur
Dauer von drei Monaten, 3. bei Einzelhaft Entziehung der Arbeit bis zur
Dauer einer Woche, 4. Entziehung der Lektüre bis zur Dauer von 3 Monaten,
5. Entziehung der Arbeitsbelohnung der letzten 3 Monate, 6. Entziehung des
Bettlagers bis zur Dauer einer Woche, 7. Schmälerung der Kost bis zur Dauer
einer Woche, 8. einsame Einsperrung bis zur Dauer von 4 Wochen. Diese
Strafe kann durch Entziehung der Arbeit und so weiter verschärft werden.
9. Fesselung bis zur Dauer von 4 Wochen. 10. Körperliche Züchtigung jedoch
nur gegen männliche Zuchthaussträflinge, welche sich nicht im Besitz der bürger-
lichen Ehrenrechte befinden. Die vorstehenden Strafen können teils kombinirt
zur Anwendung gelangen, teils findet ihre Anwendung, zum Beispiel gegen
Festungssträflinge, eine Einschränkung. Gegen Sträflinge, die das achtzehnte
Lebensjahr nicht vollendet haben, sind auch die in der Schule anwendbaren
Züchtigungsmittel zulässig. Zwangsstuhl und Zwangsfjacke dürfen nur zur
augenblicklichen Bewältigung thätlicher Widersetzlichen, sowie gegen Tobende an-
gewendet werden.
Dem Entwurf war außer den Motiven eine Uebersicht der Organisation
der Strafvollzugsbehörden in den deutschen Staaten und in den für das
Gefängniswesen wichtigen außerdeutschen Staaten beigegeben.
Die Vorlage wurde dem Justizausschuß überwiesen und kam erst in der
folgenden Session des Bundesrats zur Erledigung.
Besetzung des Reichsgerichts. Der Bundesrat war vom Reichs-
kanzler aufgefordert worden, sich mit der Besetzung des Reichsgerichts zu be-