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Am 21. Februar 1881 hatte Bismarck eine Konferenz mit einer Anzahl
der einflußreichsten Mitglieder des Bundesrats über das Unfallversicherungs-
gesetz. Es wird behauptet, daß der Reichskanzler dabei die Königreiche für das
Prinzip der Staatszuschüsse gewonnen habe. Dagegen standen die Königreiche
der vom Reichskanzler vorgeschlagenen Reichsversicherungsanstalt mit Mißtrauen
gegenüber, und sie waren geneigt, dieselbe vielmehr in Landesversicherungsanstalten
umzuwandeln.
Am 23. Februar 1881 teilte Bismarck dem Bundesrat die Protokolle der
Spezialdebatte des permanenten Ausschusses des preußischen Volkswirtschaftsrats
über das Unfallversicherungs= und über das Innungsgesetz mit.!)
Der Antrag der Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr
und für Justizwesen zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Versicherung
der in Bergwerken, Fabriken und anderen Betrieben beschäftigten Arbeiter gegen
die Folgen der bei Betrieben sich ereignenden Unfälle, wie er in der Sitzung
des Bundesrats vom 5. März 1881 zur Verhandlung kam, enthielt wohl keine
prinzipiellen Verschiedenheiten gegenüber dem ursprünglichen Entwurfe des Reichs-
kanzlers, er hatte aber doch eine Anzahl von Abänderungen, die bemerkenswert
erscheinen. Vor allem sollte das Gesetz statt der bisherigen 47 Paragraphen
58 bekommen, indem einige neue Bestimmungen hineingebracht worden waren,
oder auch indem einzelne Alineas als besondere Paragraphen aufgeführt wurden. 2)
In derselben Sitzung (5. März 1881) nahm der Bundesrat das Unfall-
versicherungsgesetz in erster und zweiter Lesung im wesentlichen nach den
Ausschußanträgen an. Wir geben nachstehend die wichtigsten Aenderungen,
welche an der ursprünglichen Vorlage vorgenommen worden waren, wieder:
Der § 1, der die betreffenden Betriebe aufzählte, welche sich bei der Reichs-
versicherungsanstalt zu versichern haben, wurde mit dem Zusatz angenommen, daß
seine Bestimmungen auch Bezug haben auf den Baubetrieb, soweit derselbe durch
Beschluß des Bundesrats für versicherungspflichtig erklärt wird. Der Beschluß
des Volkswirtschaftsrats, wonach das Gesetz auch für landwirtschaftliche Arbeiter
gelten sollte, sofern sie dauernd oder wiederholt in Fabriken und bei Maschinen,
welche nicht lediglich mit Menschenhand bewegt werden, beschäftigt sind, wurde
vom Bundesrat abgelehnt. Ein neuer § 2 bestimmte, daß dieses Gesetz auf
Beamte, die bei Betriebsverwaltungen des Reiches, eines Bundesstaates oder eines
Kommunalverbandes mit festem Gehalt und Pensionsberechtigung angestellt sind,
keine Anwendung findet. Im § 6 wurde die Klausel gestrichen, daß die Tarife dem
Ausschusse des Volkswirtschaftsrats zur Begutachtung vorzulegen sind. Nach § 9
erhalten die Angehörigen eines Arbeiters, der später als vier Wochen nach dem
1) In Kohls Bismarck-Regesten ist das obige Datum übersehen.
2) Wegen der Einzelbeiten darf auf die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 109 v. 6. 3. 81
verwiesen werden.