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Treffend bemerkte die „Süddeutsche Presse“ in einer Verteidigung der Haltung
des Bundesrats: „Wegen der hamburgischen Sache und wegen des Strebens
nach Verstärkung der Reichsgewalt dem Schöpfer des Deutschen Reichs ein
Mißtrauensvotum zu geben, dazu hat die Nation ihren Reichstag nicht gewählt,
und ein Reichstag könnte noch ein ganz anderes Ansehen genießen, als der
gegenwärtige leider hat, so würde bei einem solchen Unternehmen die öffent-
liche Meinung nicht hinter ihm stehen. Im Zweifelsfalle steht die Nation
zu dem Reichskanzler, wie einst das Volk zu dem angeklagten Epaminondas
oder noch besser zu jenem Scipio stand, der die ihm abgeforderten Rech-
nungen zerriß.“
In der Sitzung des Bundesrats vom 30. Mai 1881 überwies derselbe
den vom Reichstag angenommenen Antrag Windthorst in der Hamburger Frage
an den Reichskanzler.
6. Der Zollanschluß von Hamburg. Im November 1880 hatte
die Angelegenheit des hamburgischen Freihafens unerwartet eine andere Wen-
dung genommen. Es wurde eine Erklärung von Hamburger Bürgern ver-
öffentlicht, die sich an Bismarck mit der Erklärung wandten, daß sie bereit
seien, eine Einverleibung Hamburgs in den Zollverein zu befürworten, daß sie
indessen von dem Reichskanzler sich die Erklärung erbäten, daß in diesem Falle
auf die wirtschaftliche und finanzielle Stellung Hamburgs ganz besondere Rück-
sichten genommen werden sollten. Auf dieses Schreiben ließ der Reichskanzler
eine Antwort ergehen, die im Tone sehr verbindlich war und auch auf den ersten
Blick im Inhalt entgegenkommend erschien.
Eine von dem Vorstand der Hamburger Zollanschlußpartei Ende März
1881 an den Bundesrat gerichtete Petition, betreffend die Schädigungen durch
die gegenwärtige Freihafenstellung, wandte sich eingehend gegen die Auslassungen
des Herrn Senators Dr. Versmann bei Gelegenheit der Freihafenstellung im
Reichstag am 18. und 19. März, schilderte die im Freihafengebiet Hamburg
herrschenden unleidlichen Zustände und bat den Bundesrat um thatkräftige Ein-
wirkung behufs Abstellung derselben. Zum Schluß hieß es: „Wir versehen
uns dabei zur Einsicht eines hohen Bundesrats, daß für alle zu treffenden
Maßnahmen im Interesse des Reichs sowohl als unserer Hansestadt die Rück-
sicht vorwalte, dem Handel, den Gewerben und der Industrie Hamburgs die
unbehinderte Verkehrsbeweglichkeit zu erhalten beziehungsweise herzustellen, die
so wird sie die Ursache in dem mit dem Geiste des Verfassungsstaates unvereinbaren Vor-
gehen der ihr so nah befreundeten Fortschrittspartei zu suchen haben und der Wiederkehr
derartiger Vorfälle am sichersten vorbeugen, wenn sie den „entschieden Liberalen“ diejenige
loyale Achtung vor den verfassungsmäßigen Rechten der Krone und des Bundesrats bei-
bringt, welche die Voraussetzung auch für die ungeschmälerte Aufrechterhaltung der der
Volksvertretung gebührenden Stellung bildet.“