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die letzteren angewiesen werden sollen, die bei ihnen eingehenden Beschwerden
unmittelbar der Reichskommission einzureichen.
Am 28. November 1878 genehmigte der Bundesrat auf Antrag Preußens
für Berlin und Potsdam für die Dauer eines Jahres eine Anzahl von Maß-
regeln auf Grund des § 28 des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Be-
strebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 (kleine Belagerungs-
zustand). Im Bundesrat motivirte der preußische Bevollmächtigte die für Berlin
auf Grund des Seozialistengesetzes getroffene Anordnung dadurch, daß die
Regierung Kenntnis habe von einer fortgesetzten Agitation, ähnlich der der
russischen Nihilisten, welche von kleinen Gruppen geleitet werde. Auch sei die
Anfertigung von Werkzeugen und Apparaten zu verbrecherischen Zwecken fest-
gestellt. Eine eigentliche Diskussion fand über die Vorlage nicht statt. Die
Annahme erfolgte einstimmig. 1)
1) Die betreffende Bekanntmachung lautet: Auf Grund des § 28 des Gesetzes gegen
die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober d. IJ. (Reichs-
Gesetzbl. S. 351) wird mit Genehmigung des Bundesrats für die Dauer eines Jahres
angeordnet was folgt: SI.
Personen, von denen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu
besorgen ist, kann der Aufenthalt in dem die Stadt Berlin, die Stadtkreise Charlottenburg
und Potsdam und die Kreise Teltow, Nieder-Barnim und Ost-Havelland umfassenden
Bezirke für den ganzen Umfang desselben von der Landespolizeibehörde versagt werden.
§ 2.
In der Stadt Berlin und den Stadtkreisen Charlottenburg und Potsdam sind das
Tragen von Stoß-, Hieb= oder Schußwaffen, sowie der Besitz, das Tragen, die Einführung
und der Verkauf von Sprenggeschossen, soweit es sich nicht um Munition des Reichsheeres
und der Kaiserlichen Marine handelt, verboten.
Von letzterem Verbote werden Gewehrpatronen nicht betroffen.
Ausnahmen von dem Verbote des Waffentragens finden statt:
1. für Personen, welche kraft ihres Amtes oder Berufes zur Führung von Waffen
berechtigt sind, in betreff der letzteren;
2. für die Mitglieder von Vereinen, welchen die Befugnis, Waffen zu tragen, bei-
wohnt, in dem Umfange dieser Befugnis;
3. für Personen, welche sich im Besitze eines Jagdscheines befinden, in betreff der
zur Ausübung der Jagd dienenden Waffen;
4. für Personen, welche einen für sie ausgestellten Waffenschein bei sich führen, in
betreff der in demselben bezeichneten Waffen.
Ueber die Erteilung des Waffenscheines befindet die Landespolizeibehörde. Er
wird von derselben kosten= und stempelfrei ausgestellt und kann zu jeder Zeit wieder ent-
zogen werden. g 3.
Vorstehende Anordnungen treten mit dem 29. November d. J. in Kraft.
Berlin, den 28. November 1878.
Königliches Staatsministerium.
Graf zu Stolberg. Dr. Leonhardt. Dr. Falk.
v. Kamecke. Dr. Friedenthal. v. Bülow. Hofmann. Graf zu Eulenburg.
Manbach. Hobrecht.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 3