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Einige Tage später (Nr. 17 vom 21. Januar 1879) wurde das Kanzler-
blatt genauer dahin informirt, daß der genannte Modus für die Einbringung
der Vorlagen bei dem Bundesrat die Regel bilde und bei weitem in den meisten
Fällen bisher beobachtet worden sei. „Wenn man die Berichte der Bundesrats-
sitzungen aus den letzten zehn Jahren durchliest, wird man finden, daß die
Einbringung einer Vorlage durch eine Regierung die seltenere Form gewesen
und erst in den letzten Jahren häufiger vorgekommen ist. Anträge einer
Regierung werden in solchen Fällen gestellt werden, in welchen das Staats-
ministerium der antragstellenden Regierung vorher durch regelmäßige Beschlüsse
seine Ansichten festgelegt, dadurch aber für die Diskussion im Bundesrat sich
auch amtlich gebunden hat vor Kenntnis der Ansichten der übrigen Regierungen.
Die antragstellende Regierung ist in solchen Fällen nicht selten in der Lage,
mit Rücksicht auf den Gang der Diskussion im Bundesrat die durchberatene
Sache von neuem durchzuberaten und ihre früheren Beschlüsse ganz oder teil-
weise zu modifiziren. Bei der Form der Anträge aber, welche als die Regel
und unter der Bezeichnung „Präsidialanträge" üblich ist, steht der Kaiserlichen
Initiative der Bundesrat in der Eigenschaft eines Staatenhauses gegenüber, und
keine, auch nicht die preußische Regierung ist durch den Präsidialantrag in ihrer
Abstimmung gebunden oder behindert. Aus diesem Grunde hat das System
der Präsidialanträge viel häufiger Anwendung gefunden als das der Anträge
einzelner Regierungen. Jeder preußische Antrag an den Bundesrat involvirt
die vorgängige Prüfung, Beratung und Beschlußnahme des Staatsministeriums
und stellt nachher verfassungsmäßig nicht den Kanzler des Kaisers, sondern das
Staatsministerium des Königs von Preußen in Vertretung des Antrags dem
Bundesrat gegenüber. Nach den im preußischen Landtag nicht selten aufgetretenen
Versuchen, die preußischen Stimmen im Bundesrat durch vorgängige Vota zu
vinkuliren, würde man zu dem Ergebnis gelangen, daß ein Präsidialantrag nur
noch infolge eines preußischen Gesetzes unter Zustimmung beider Häuser des
Landtags eingebracht werden könnte. In jedem andern Bundesstaate würde
natürlich derselbe Anspruch der Landtage Platz greifen, und von dem Deutschen
Reich und seinem Kaiser bliebe nur der Name übrig.“!)
Strafgewalt des Reichstags, die deutsche Regierung zu keinem diplomatischen Schritt
veranlaßt, und daß der Prinz Reuß weder am 11. d. M. noch an einem anderen Tage,
weder amtlich noch nichtamtlich dem Grafen Andrassy den Gedanken nahe gelegt hat, auf
die Urteile der österreichischen Presse über den genannten Gesetzentwurf oder andere interne
Angelegenheiten Deutschlands einen Einfluß auszuüben.
1) Auch die nachstehende Notiz der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 18 v. 22. 1. 79 ver-
dient Beachtung: „Der Gesetzentwurf über die Strafgewalt des Reichstags ist für eine
gewisse Klasse von Publizisten eine unerschöpfliche Quelle von Kombinationen. Neuestens
tauchte wieder das Gerücht auf, der Entwurf sei bereits zur Zeit der letzten Reichstagssession
in Angriff genommen, damals aber von dem die Regierung führenden Kronprinzen nicht
genehmigt worden. Es ist dies eine bloße Erfindung, gerade wie das früher schon