— 40 —
49 gegen die 9 Stimmen von Bayern, Oldenburg, Reuß älterer Linie und
Bremen angenommen.
Der bayerische Bevollmächtigte gab noch zur Motivirung seiner Abstimmung
die Erklärung ab, die bayerische Regierung sei mit dem auf die Verstärkung
der Disziplinargewalt des Reichstags gerichteten Grundgedanken der Vorlage
einverstanden. Wenn sie gleichwohl im Interesse der Wahrung thunlichster
Stabilität der Verfassungsgrundsätze sich ablehnend verhalte, so gehe sie von
dem festen Vertrauen aus, daß der Reichstag selbst in Anwendung der ihm
durch die Verfassung gebotenen Mittel eine Abhilfe in der bezeichneten Richtung,
soweit erforderlich, eintreten lassen werde. Und der badische Bevollmächtigte
erklärte, seine Regierung habe gewünscht, daß dem Reichstag die Initiative
überlassen werde; sie stimme aber doch dem Gesetzentwurf zu in der Meinung,
daß durch dessen Mitteilung dem Reichstag Anlaß und Anhalt für die weitere
Erledigung dieser Aufgabe dargeboten werde. 1) Die Beratung dauerte mehr
als zwei Stunden.
Der Reichstag lehnte die Vorlage der verbündeten Regierungen kurz-
weg ab.
Erwerbung der Grundstücke zum Bau des Reichstags-
gebäudes. Ende April 1879 unterbreitete Bismarck dem Bundesrat den
Vertrag über den Ankauf des Raczynskischen Palais zum Bau des Reichstags-
gebäudes. 2) Die Vorlage des Kanzlers berührte kurz die früheren gescheiterten
Verhandlungen mit dem Grafen Athanasius v. Raczynski und gedachte der Ge-
neigtheit seines Fideikommißnachfolgers, des Grafen Karl Raczynski, zur
freihändigen Veräußerung des Galeriegrundstücks, die eine Gelegenheit zu dem
ursprünglichen Plane zurückzukehren bot, welche der Reichskanzler nicht von der
Hand weisen zu sollen glaubte. Die Hauptpunkte des Uebereinkommens wurden
darauf kurz dargelegt. Schließlich ward bemerkt, daß eine auf Veranlassung
des Reichskanzlers von gerichtlichen Sachverständigen bewirkte Schätzung der zu
erwerbenden Realitäten, welche die für den Fideikommißbesitzer persönlich aus-
bedungene Schadloshaltung unberücksichtigt ließ, mit 887 936 Mark abschließe.
Der übrige Teil der durch Beschluß des Reichstags vom 24. November 1871
zum Bauplatz für das Reichstagsgebäude designirten Fläche von 150 Meter
Breite und 115 Meter Tiefe war teils im Besitze des preußischen Staates, teils
Straßenland. „Der Heranziehung von Privatgrundstücken bedarf es zur
unveränderten Ausführung des damals mit allseitiger Zustimmung aufgestellten
Planes nur noch in dem Falle, daß ein Teil der an der östlichen Front des
1) Die Fassung, welche hiernach der Gesetzentwurf erhielt, findet sich abgedruckt in der
„Nat.-Ztg.“ Nr. 67 v. 9. 2. 79 und Nr. 77 v. 15. 2. 79.
2) Abgedruckt ist der Vertrag in der „Nat.-Ztg." Nr. 190 v. 24. 4. 79.