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Einflusse gewesen sind, haben im Laufe der letzten Jahre wesentliche Ver—
änderungen erfahren.
Die finanzielle Lage des Reichs wie der einzelnen Bundesstaaten erheischt
eine Vermehrung der Reichseinnahmen durch stärkere Heranziehung der dem
Reiche zur Verfügung stehenden Einnahmequellen. Bei den im vorigen Sommer
zu Heidelberg stattgehabten vertraulichen Besprechungen über die im Reiche
anzustrebende Steuerreform ist denn auch die Ueberzeugung einmütig zum
Ausdruck gelangt, daß das System der indirekten Besteuerung in Deutschland
weiter auszubilden sei, und es ist daselbst über die vorzugsweise ins Auge zu
fassenden Finanzartikel allseitiges Einverständnis erzielt worden.
Außerdem erfordert die derzeitige Lage der deutschen Industrie sowie das
mit Ablauf der Handelsverträge in den großen Nachbarstaaten und Amerika
zu Tage getretene Bestreben nach Erhöhung des Schutzes der einheimischen
Produktion gegen die Mitbewerbung des Auslandes eine eingehende Untersuchung
der Frage, ob nicht auch den vaterländischen Erzeugnissen in erhöhtem Maße
die Versorgung des deutschen Marktes vorzubehalten und dadurch auf die
Vermehrung der inländischen Produktion hinzuwirken, sowie zugleich Verhand-
lungsmaterial zu schaffen sei, um später zu versuchen, ob und inwieweit sich
im Wege neuer Verträge die Schranken beseitigen lassen, welche unsere Export-
interessen schädigen.
Die Ergebnisse der im Gange befindlichen Enquéêten über die Lage der
Eisenindustrie sowie der Baumwoll= und Leinenindustrie werden nützliche Grund-
lagen schaffen für die Beantwortung der Frage der Zweckmäßigkeit einer Er-
höhung oder Wiedereinführung von Zöllen auf die Erzeugnisse der in Frage
stehenden Industrien. Ueber einige weiter bereits in Anregung gekommene
Aenderungen des autonomen Zolltarifs, welche zum Teil eine korrektere Fassung
des Tarifs, zum Teil die Beseitigung von Mißverhältnissen zwischen den Zoll-
sätzen von Halbfabrikaten und Ganzfabrikaten, zum Teil Erhöhungen des
Schutzes einzelner Industriezweige gegenüber der Konkurrenz des Auslandes
bezwecken, sind Vorarbeiten gefertigt, welche den betreffenden Ausschüssen des
Bundesrats werden vorgelegt werden. Es wird dabei nicht ausgeschlossen sein,
daß auch noch für andere Erzeugnisse die Einführung höherer Eingangszölle
angeregt werde.
In formeller Hinsicht würde, abgesehen von der Umrechnung der Zollsätze
in die Reichswährung, zu prüfen sein, ob nicht an Stelle des Zentners eine
andere Gewichtseinheit in den Tarif einzustellen und die jetzige Gruppirung
und Aufeinanderfolge der einzelnen Positionen des Tarifs einer durchgreifenden
Revision zu unterziehen sein möchte. In ersterer Hinsicht ist daran zu erinnern,
wie Bremen unter Berufung darauf, daß die Eisenbahnverwaltungen die
Gewichtsangaben in Kilogrammen verlangen, bereits unter dem 10. Januar 1875
eine Beschlußnahme des Bundesrats dahin beantragt hat, daß im zollamtlichen