Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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dustrie, je nach dem Ergebnis der im Gange befindlichen Enquêten, eine Wieder- 
herstellung höherer oder Erhöhung der gegenwärtigen Zollsätze sich empfehlen. 
Schutzzölle für einzelne Industriezweige aber wirken, zumal wenn sie das 
durch die Rücksicht auf den finanziellen Ertrag gebotene Maß überschreiten, 
wie ein Privilegium und begegnen auf seiten der Vertreter der nicht geschützten 
Zweige der Erwerbsthätigkeit der Abneigung, welcher jedes Privilegium aus- 
gesetzt ist. Dieser Abneigung wird ein Zollsystem nicht begegnen können, 
welches innerhalb der durch das finanzielle Interesse gezogenen Schranken der 
gesamten inländischen Produktion einen Vorzug vor der ausländischen Produktion 
auf dem einheimischen Markt gewährt. Ein solches System wird nach keiner 
Seite hin drückend erscheinen können, weil seine Wirkungen sich über alle 
produzierenden Kreise der Nation gleichmäßiger verteilen, als es bei einem 
System von Schutzzöllen für einzelne Industriezweige der Fall ist. Die Minder- 
heit der Bevölkerung, welche überhaupt nicht produzirt, sondern ausschließlich 
konsumirt, wird durch ein die gesamte nationale Produktion begünstigendes 
Zollsystem scheinbar benachteiligt. Wenn indessen durch ein solches System die 
Gesamtsumme der im Inlande erzeugten Werte vermehrt und dadurch der 
Volkswohlstand im ganzen gehoben wird, so wird dies schließlich auch für die 
nicht produzirenden Teile der Bevölkerung und namentlich für die auf festes 
Geldeinkommen angewiesenen Staats= und Gemeindebeamten von Nutzen sein; 
denn es werden der Gesamtheit dann die Mittel zur Ausgleichung von Härten 
zu Gebote stehen, falls sich in der That eine Erhöhung der Preise der Lebens- 
bedürfnisse aus der Ausdehnung der Zollpflichtigkeit auf die Gesamteinfuhr 
ergeben sollte. Eine solche Erhöhung wird jedoch in dem Maße, in welchem 
sie von den Konsumenten befürchtet zu werden pflegt, bei geringen Zöllen 
voraussichtlich nicht eintreten, wie ja auch umgekehrt nach Aufhebung der Mahl- 
und Schlachtsteuer die Brot= und Fleischpreise in den früher davon betroffenen 
Gemeinden nicht in einer bemerkbaren Weise zurückgegangen sind. 
Eigentliche Finanzzölle, welche auf Gegenstände gelegt sind, die im Inlande 
nicht vorkommen und deren Einfuhr unentbehrlich ist, werden zum Teil den 
Inländer allein treffen. Bei Artikeln dagegen, welche das Inland in einer für 
den einheimischen Verbrauch ausreichenden Menge und Beschaffenheit zu erzeugen 
im stande ist, wird der ausländische Produzent den Zoll allein zu tragen haben, 
um auf dem deutschen Markte noch konkurriren zu können. In solchen Fällen 
endlich, in denen ein Teil des inländischen Bedarfs durch auswärtige Zufuhr 
gedeckt werden muß, wird der ausländische Konkurrent meist genötigt sein, 
wenigstens einen Teil und oft das Ganze des Zolls zu übernehmen und seinen 
bisherigen Gewinn um diesen Betrag zu vermindern. Daß Grenzzölle auf 
solche Gegenstände, welche auch im Inlande erzeugt werden, den ausländischen 
Produzenten für das finanzielle Ergebnis mit heranziehen, geht aus dem Interesse 
hervor, welches überall das Ausland gegen Einführung und Erhöhung der-
	        
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