Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

artiger Grenzzölle in irgend einem Gebiet an den Tag legt. Wenn im praktischen 
Leben wirklich der inländische Konsument es wäre, dem der erhöhte Zoll zur 
Last fällt, so würde die Erhöhung dem ausländischen Produzenten gleich- 
giltiger sein. 
Soweit hiernach der Zoll dem inländischen Konsumenten überhaupt zur 
Last fällt, tritt er hinter den sonstigen Verhältnissen, welche auf die Höhe der 
Warenpreise von Einfluß sind, in der Regel weit zurück. Gegenüber den Preis- 
schwankungen, welche bei bestimmten Warengattungen durch den Wechsel im 
Verhältnis von Angebot und Nachfrage oft binnen kurzer Zeit und bei geringer 
örtlicher Entfernung der Marktplätze von einander bedingt wird, kann ein Zoll 
der etwa 5 bis 10 Prozent vom Wert der Ware beträgt, nur einen verhältnis- 
mäßig geringen Einfluß auf den Kaufpreis üben. Andere Momente, wie die 
Ungleichheiten der Frachtsätze bei den Differenzialtarifen der Eisenbahnen, wirken 
in dieser Beziehung viel einschneidender vermöge der Einfuhrprämie, die sie dem 
Auslande, oft zum vielfachen Betrage jedes vom Reiche aufzulegenden Zolles 
auf Kosten der deutschen Produktion gewähren. Ich bin deshalb auch der 
Ueberzeugung, daß mit der Revision der Grenzzölle eine Revision der Eisenbahn- 
tarife notwendig Hand in Hand gehen muß. Es kann auf die Dauer den 
einzelnen Staats= und Privateisenbahnverwaltungen nicht die Berechtigung 
verbleiben, der wirtschaftlichen Gesetzgebung des Reiches nach eigenem Ermessen 
Konkurrenz zu machen, die Handelspolitik der verbündeten Regierungen und 
des Reichstags nach Willkür zu neutralisiren und das wirtschaftliche Leben der 
Nation den Schwankungen auszusetzen, welche im Gefolge hoher und wechselnder 
Einfuhrprämien für einzelne Gegenstände notwendig eintreten. 
Die Rückkehr zu dem Prinzip der allgemeinen Zollpflicht entspricht der 
jetzigen Lage unserer handelspolitischen Verhältnisse. Nachdem der Versuch, mit 
Oesterreich-Ungarn einen neuen Tarifvertrag zu vereinbaren, respektive den 
bisherigen zu prolongiren, gescheitert ist, sind wir (abgesehen von den in den 
Verträgen mit Belgien und der Schweiz enthaltenen Tarifbestimmungen) in das 
Recht selbständiger Gestaltung unseres Zolltarifs wieder eingetreten. Bei der 
bevorstehenden Revision des Zolltarifs kann nur unser eigenes Interesse maß- 
gebend sein. Dieses Interesse wird vielleicht demnächst zu neuen Verhandlungen 
über Tarifverträge mit dem Ausland führen. Sollen aber solche Verhandlungen 
mit der Aussicht auf einen für Deutschland glücklichen Erfolg begonnen werden, 
so ist es nötig, vorher auf dem autonomen Wege ein Zollsystem zu schaffen, 
welches die gesamte inländische Produktion der ausländischen gegenüber in die 
möglichst günstige Lage bringt. 
Dem Bundesrat stelle ich ergebenst anheim, die vorstehenden Bemerkungen 
der Kommission, welche behufs Revision des Zolltarifs zufolge des Beschlusses 
vom 12. d. Mts. eingesetzt wird, zur Erwägung gefälligst überweisen zu 
wollen. v. Bismarck."“
	        
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