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beratung einzutreten. Von einer Durchpeitschung der Vorlage konnte aber
gleichwohl nicht die Rede sein, weil die Zolltarifkommission gewissermaßen als
ein Sachverständigenausschuß des Bundesrats zu betrachten war.
Die entscheidende Sitzung vom 3. April nahm um 2 Uhr ihren Anfang
und währte bis 5¼ Uhr. Derselben wohnte der Geheime Regierungsrat im
Reichskanzler-Amt Burchard bei. Vor dem Eintritt in die Beratung wurden
von den Hansestädten und von Oldenburg bemerkenswerte Erklärungen gegen
den Tarifentwurf abgegeben. Die vom hanseatischen Bundeskommissar Senator
Dr. Plessing abgegebene Erklärung lantete: „Die Bevollmächtigten für Lübeck,
Bremen und Hamburg, um nicht durch Stellung besonderer Anträge bei den
einzelnen Artikeln des Zolltarifs die geschäftliche Behandlung dieser Vorlage
unnötig zu erschweren, erklären, daß sie beauftragt sind, zwar für die infolge
der Heidelberger Konferenzen beantragte Erhöhung der Zölle auf Wein, ge-
trocknete Südfrüchte, Kaffee, Thee, Tabak und Mineralöle, aber gegen die Auf-
legung eines Eingangszolles auf Getreide und Vieh sowie auf Nutzholz und
Bauholz zu stimmen, übrigens aber auch, wo sie die andern Vorschläge nicht für
richtig halten, nicht in jedem einzelnen Falle die Herstellung des gegenwärtig be-
stehenden Zollsatzes bezw. der gegenseitig bestehenden Zollfreiheit zu beantragen."
Die Großherzoglich oldenburgische Regierung gab durch ihren Bevoll-
mächtigten, Staatsrat Selkmann folgende Erklärung ab: „Die Großherzoglich
oldenburgische Regierung hätte es für richtiger gehalten, wenn die in Heidelberg
beschlossene Finanzvorlage von den übrigen Tarifpositionen getrennt geblieben
wäre; sie sieht jedoch bei der gegenwärtigen Sachlage von einem darauf be-
züglichen Antrage ab. Auch wäre ihr die Verweisung des Gesetzentwurfs,
betreffend den Zolltarif, an die betreffenden Bundesratsausschüsse zur Prüfung
und Berichterstattung erwünscht und auch der Wichtigkeit des Gegenstandes
wohl entsprechend gewesen. Nachdem diese Verweisung aber abgelehnt ist, muß
sie es um so mehr bedauern, daß ihr zur Prüfung des Zolltarifentwurfs,
welcher ihr erst am 30. März zuging, um ihre Bevollmächtigten bis zum
2. d. M. zu instruiren, und welcher so tief einschneidende Veränderungen des
bestehenden Zustandes enthält, nur eine so kurze Frist gegönnt war. Es ist
ihr daher ein näheres Eingehen und eine Stellungnahme in Bezug auf sämt-
liche Tarifpositionen um so weniger möglich gewesen, als dem mitgeteilten
Gesetzentwurfe irgend welche Motive nicht beigefügt waren und sie in Ermang-
lung genügender Mitteilungen die für viele Tarifsätze maßgebend gewesenen
Gründe sich klar zu machen außer stande war. Indem die Großherzogliche
Regierung mit den bei den „Heidelberger Konferenzen“ im vorigen Sommer
verabredeten Zollerhöhungen und dem Zoll für Petroleum einverstanden ist,
vermag sie im übrigen zu einer Verzollung der bisher zollfreien notwendigen
und allgemeinen Lebensbedürfnisse bezw. zu einer Erhöhung der bestehenden
Zölle für solche Artikel, insbesondere auch zu der Erhöhung des Zolles auf