Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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6. Sisenbahnwesen. 
Regelung des Tarifwesens. Am V7. Februar 1879 beantragte 
Bismarck bei dem Bundesrat die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Regelung des 
Gütertarifwesens auf den deutschen Eisenbahnen beschließen und zu diesem Behufe 
zunächst einen Ausschuß berufen zu wollen, welcher aus einem Vertreter 
des Präsidiums und aus einer vom Bundesrat näher zu bestimmenden Zahl 
von Vertretern derjenigen Bundesstaaten, welche eine eigene Staatsbahnverwaltung 
besitzen, zu bestehen hätte. Der Antrag 1) lautete im Wortlaut, soweit ich den- 
selben feststellen konnte, wie folgt: 
1) Eine kurze Analyse desselben befindet sich in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 38 v. 14. 2.79. 
Vorausgegangen war das folgende Schreiben Bismarcks an das Mitglied des Bundesrats, 
bayerischen Minister v. Pfretzschner in München, d. d. 2. Januar 1879: „Ich beabsichtige 
am Reiche die Frage anzuregen, ob nicht das Tarifwesen der Eisenbahnen unabhängig von 
dem intendirten Reichs-Eisenbahngesetz der reichsgesetzlichen Regelung durch ein Tarifgesetz 
bedarf. Wenn es in Preußen unmöglich ist, ohne Allerhöchste Ermächtigung eine Aenderung 
in geringem Wegegeld oder Brückenzollerhebungen herbeizuführen, so steht damit die Recht- 
losigkeit, in welcher die Bevölkerung sich gegenüber den sehr viel wichtigeren Eisenbahn- 
tarifen befindet, in einem auffälligen Widerspruch. Wenn strenge darauf gehalten wird, 
daß die Post ihre Tarife nur auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen regeln kann, 
wenn es für ein unabweisliches öffentliches Bedürfnis erkannt wurde, daß der letzte Rest 
von Privatposteinrichtungen in Gestalt der Taxisschen Privilegien durch Expropriation 
beseitigt werde, so ist es schwer erklärlich, wie der sehr viel größere und wichtigere Interessen- 
kreis im Vergleich mit der Post, welcher von den Eifenbahntarifen abhängig ist, der Aus- 
beutung im Privatinteresse durch lokale Behörden ohne gesetzliche Kontrolle für die Dauer 
überlassen werden konnte. Dabei hat der Postverkehr seine Konkurrenz und Kontrolle durch 
jede Privatspedition, während die Eisenbahnen in bestimmten Bezirken den Verkehr mono- 
polistisch beherrschen, jede Konkurrenz vermöge des staatlichen Privilegiums, auf dem sie 
beruhen, unmöglich ist und da, wo zwei und mehrere Eisenbahnen konkurriren könnten, 
eine Verständigung zwischen ihnen in der Regel gefunden wird. Der Umstand, daß so 
große öffentliche Interessen, wie das Eisenbahntransportwesen, Privatgesellschaften und 
einzelnen Verwaltungen ohne gesetzliche Kontrolle zur Ausbeutung für Privatinteressen 
überlassen sind, findet in der Geschichte des wirtschaftlichen Lebens der modernen Staaten 
seine Analogie wohl nur in den früheren Generalpächtern finanzieller Abgaben. Wenn 
nach denselben Modalitäten, wie die Eisenbahnen ein Verkehrsregal ausüben, man die 
Erhebung der Klassen= und Einkommensteuer einer Provinz oder die Erhebung der Grenz- 
zölle auf bestimmten Abschnitten unserer Grenze Privataktiengesellschaften zur Ausbeutung 
überlassen würde, so wären dieselben doch immer durch die Schranken gesetzlich feststehender 
Abgabensätze gebunden, während heute bei uns für die Eisenbahntarife die Bürgschaft 
gesetzlicher Regelung unserem Verkehrsleben fehlt. Diesen Erwägungen gegenüber glaube 
ich nicht umhin zu können, im Wege der Reichsgesetzgebung eine vorbereitende Prüfung der 
Frage zu veranlassen, ob und auf welchem Wege es thunlich sein wird, in Anknüpfung an 
die Bestimmung der Reichsverfassung eine gesetzliche, und soweit es möglich ist, einheitliche 
Regelung des deutschen Tarifwesens herbeizuführen. Wenn es gelingt, dies Ziel zu 
erreichen, so werden dann auch die Ausnahmetarife nur auf Grund der Gesetzgebung ein- 
geführt oder beibehalten werden können 2c. 
v. Bismarck.“
	        
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