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„Das in Deutschland bisher bestehende System der Frachtberechnung für
die Eisenbahngüter wurde durch die Berliner Konferenz deutscher Eisenbahn-
verwaltungen im Februar 1877 im Wege der Vereinbarung zwischen den Staats-
und Privatbahnverwaltungen festgestellt, nachdem der Bundesrat durch den
Beschluß vom 14. Dezember 1876 sein Einverständnis mit den allgemeinen
Grundzügen des Systems erklärt hatte. In einigen Punkten nicht prinzipieller
Natur ist das aus den Beratungen der Konferenz hervorgegangene Reform-
tarisschema inzwischen, gleichfalls im Wege der freien Vereinbarung, einzelnen
Veränderungen unterzogen worden. 1)
Diese Beschlüsse der Generalkonferenz beziehen sich, wie das Tarifschema
ergibt, nur auf die Klassifikation der Güter, dagegen nicht auf die innerhalb
der einzelnen Klassen anzuwendenden Frachtsätze. Letztere sind als Maximal-
tarifsätze in Form von Sätzen für Gewichts= und Entfernungseinheiten sowie
fester Expeditionsgebühren von den Landesregierungen festzusetzen. Bei der
Frachtberechnung ist den Bahnen ein Hinausgehen über die Maximalsätze nicht
gestattet; dagegen steht ihnen innerhalb der Grenzen des Maximaltarifs die freie
Bewegung nach unten sowohl hinsichtlich der Strecken-Kilometersätze als auch
der Expeditionsgebühr frei. Für einzelne Artikel können ferner in Abweichung
von der Klassifizirung des Tarisschemas Ausnahmetarife zugelassen werden, deren
Festsetzung sowohl hinsichtlich der Frachtgegenstände als der Verkehrsrelationen,
für welche die Ausnahmetarifirung eintritt, gleichfalls den Landesaufsichtsbehörden
überlassen worden ist.
Die gewonnene schematische Klassifikation, auf welche sich das Ergebnis der
Tarifreform beschränkt, stellt sich, wie der Gang der sehr gründlichen Verhand-
lungen, sowohl innerhalb der Enquêtekommission als auch der Konferenzen der
Eisenbahnverwaltungen, überzeugend darthut, als das Maximum des auf dem
bisherigen Wege Erreichbaren dar.
Schon im Schoße der Enquéêtekommission vom Jahre 1874 kam einstimmig
zum Ausdruck, daß
in Uebereinstimmung mit den Intentionen des Artikel 45 der Reichs-
verfassung die möglichst baldige Einführung einer einheitlichen Tarif-
einrichtung auf allen Bahnen Deutschlands als ein unabweisliches Bedürfnis
anzusehen sei.
Die Erfahrungen, welche mit dem aus den Beratungen der Eisenbahn-
verwaltungen hervorgegangenen Klassifikationsschema bis jetzt gemacht worden
sind, haben aber zur Genüge erwiesen, daß dessen Einführung nur einen geringen
Fortschritt auf der Bahn der Bestrebungen zur Reformirung des deutschen
Eisenbahntarifwesens bezeichnet, und daß dieses Schema, selbst vom Standpunkte
der Einheitlichkeit aus, von nur zweifelhaftem Werte ist. Abgesehen davon,
1) Die zurzeit festgestellte Fassung war in einer Anlage dem Antrag beigefügt.