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handelspolitische Richtung war eine ausgesprochen freihändlerische. Als Fürst Bis-
marck 1878 das große Werk einleitete, Deutschlands Handelspolitik aus den Bahnen
des Freihandels herauszuziehen, und auch auf dem Gebiete der Wirtschafts-
politik — zum Segen Deutschlands — eine nationale Politik inaugurirte, wurde
naturgemäß auch Oldenburgs Stellung im Bundesrat eine schwierige. Als Ver-
treter Mecklenburgs, welches, wie alle Küstenländer, seiner Lage zufolge größere
Vorteile vom Freihandel erwartete, !) vermochte er Bismarcks Handelspolitik nicht
zu unterstützen, und hierin lag der Keim zu Konflikten. Ein Kanzler, der von
der Fehlerhaftigkeit der bisher verfolgten handelspolitischen Richtung weniger
tief überzeugt gewesen wäre, als dies bei Bismarck der Fall war, hätte vielleicht
Oldenburgs Wirksamkeit, die seinen Intentionen entgegenarbeitete, ruhig mit an-
gesehen. Da Bismarck für seine Tendenzen eine überwiegende Majorität im Bundes-
rat besaß, so bestand ja keine Gefahr, daß der Wagen noch einmal in das fehlerhafte
Geleise zurückrollte. Mit Bismarcks Wesen und seiner ganzen Politik vertrug sich
aber eine solche Haltung nicht. Wenn er von einer Maßregel das Wohl des ge-
samten Vaterlandes abhängen sah, dann gab es für diesen großen Patrioten kein
laisser faire; er duldete dann, soweit sein Arm reichte, keine dienstliche Opposition.
Handelte es sich um einen Beamten der inneren Reichsverwaltung, von dem er
seine Ziele durchkreuzt sah, so mußte sich derselbe entweder fügen oder weichen.2)
Selbst im Bundesrat glaubte Bismarck Tendenzen, die seinen Begriffen von
Wohlfahrt des Staates diametral entgegenliefen, nicht begünstigen zu dürfen,
und deshalb suchte derselbe von der mecklenburgischen Regierung die Ersetzung
Oldenburgs durch einen andern Bevollmächtigten zu erwirken. Gelang ihm
dies, wie im vorliegenden Falle, nicht, so hatte er wenigstens gethan, was er
für seine Schuldigkeit hielt. Die Gegner Bismarcks mögen das Vorgehen des-
selben im konkreten Falle als Herrschsucht bezeichnen. In unseren Augen ist
es ein Ausfluß seines tiefsten Pflichtgefühls.
sterium. Am 11. August 1868 beim Eintritt der beiden Großherzogtümer Mecklenburg in
den Zollverein trat Oldenburg als Ober-Zolldirektor an die Spitze der beiden Groß-
herzogtümern gemeinschaftlichen Steuer= und Zollverwaltung und verblieb in dieser Stellung
bis zu seinem Tode. Am 11. August 1893 erhielt er den Titel Generalzolldirektor. Olden-
burg war thätig bei Gründung des mecklenburgischen Landesvereins der Kaiser Wilhelm-
Stiftung für deutsche Invaliden und bis zu seinem Tode Vorsitzender des geschäftsführenden
Ausschusses desselben. Ferner war er u. a. Mitglied im Vorstand der Schweriner Er-
sparnisanstalt und Vorsitzender der Kommission, betreffend die Errichtung eines Fritz
Reuter-Denkmals.
1) Jetzt ist es zu einer anderen, besseren Einsicht gekommen.
2) Für beide Alternativen lassen sich Beispiele anführen. Es gab einen Rat des
Reichskanzler-Amts, der, wiewohl von Hause aus Freihändler, sowohl unter dem frei-
händlerischen als unter dem schutzzöllnerischen Bismarck diente; dagegen erhielt Direktor
Michaelis, als die Zolltarifreform vor sich ging, das politisch indifferente Amt eines Präsi-
denten des Reichs-Invalidenfonds.