Die Annexionen: Kurhessen, Nassau. Friedensschlüsse. 73
zollerns auf Kosten Würtembergs fordern wollten. Ich konnte darin
weder für Preußen noch für die nationale Zukunft einen Nutzen
sehn und hielt überhaupt das Vergeltungsprinzip nicht für eine
vernünftige Basis unfrer Politik!), die auch da, wo unser Gefühl
verletzt war, nicht von der eignen Verstimmung, sondern von der
objectiven Erwägung geleitet werden sollte. Grade weil Varnbüler
uns gegenüber einige diplomatische Sünden auf dem Conto hatte,
war er für mich ein nützlicher Unterhändler, und indem ich mich
dazu verstand, die Vergangenheit zu vergessen, gewann ich durch
den Vorgang Würtembergs im Abschluß des Bündnisses (13. August)
den Weg zu den andern.
Ich weiß nicht, ob Roggenbach bei den Friedensschlüssen im Auf-
trage des Großherzogs von Baden handelte, indem er mir vorstellte,
daß Baiern durch seine Größe ein Hinderniß der deutschen Einigung
sei, sich leichter in eine künftige Neugestaltung Deutschlands ein-
sügen werde, wenn es kleiner gemacht wäre, und daß es sich des-
halb empfehle, ein besseres Gleichgewicht in Süddeutschland da-
durch herzustellen, daß Baden vergrößert und durch Angliederung
der Pfalz in unmittelbare Grenznachbarschaft mit Preußen ge-
bracht würde, wobei auch weitre Verschiebungen in Anlehnung an
preußische Wünsche, die dynastischen Stammlande Ansbach-Bayreuth
wiederzugewinnen, und mit Einbeziehung Würtembergs in Aussicht
genommen waren. Ich ließ mich auf diese Anregung nicht ein,
sondern lehnte sie a limine ab. Auch wenn ich sie ausschließlich
unter dem Gesichtspunkte der Nützlichkeit hätte auffassen wollen,
so verrieth sie einen Mangel an Augenmaß für die Zukunft und
eine Verdunklung des politischen Blickes durch badische Hauspolitik.
Die Schwierigkeit, Baiern gegen seinen Willen in eine ihm nicht
zusagende Reichsverfassung hinein zu zwingen, wäre dieselbe ge-
blieben, auch wenn man die Pfalz an Baden gegeben hätte; und
ob die Pfälzer ihre bairische Angehörigkeit bereitwillig gegen die
1) S. o. S. 46.