Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Deutscher Parteigeist. Friedrich VIII. Nord-Ostsee-Canal. 95 
Die Bedingungen, die Preußen im Februar 1865 formulirte, 
deckten sich im Wesentlichen mit denen, die der Kronprinz 
von Preußen in seiner Denkschrift vom Februar 1864 als 
sachlich begründete Forderungen anerkannt hatte, galten aber 
nicht mehr für den Augustenburger, sondern für etwaige 
andere Prätendenten: 
„Was man von der Minute ausgeschlagen, 
Giebt keine Ewigkeit zurück.“ 
Heute wird kein Verständiger in Deutschland mehr be- 
klagen, daß Schleswig-Holstein in preußischen Besitz gekommen 
und die an sich schon so bunte Karte von Deutschland nicht 
um einen Farbenton bereichert worden ist; in der neuen 
Provinz selbst freut man sich des ungeahnten materiellen Fort- 
schrittes, den der Anschluß an den Großstaat dem kleinen 
Lande gebracht hat, und gedenkt der Augustenburg-Schwärmerei 
wie einer jugendlichen Thorheit, die glücklicherweise ohne 
Folgen geblieben ist: die Wallfahrt der Holsteiner nach Friedrichs- 
ruh war der versöhnende Ausklang eines erbitterten Kampfes 
der Meinungen und Bestrebungen und eine Huldigung für 
die politische Einsicht des Gefeierten. 
Ein dauerndes Denkmal von Bismarcks Fürsorge für 
Preußens und Deutschlands Machtstellung an Nord= und Ost- 
see ist der Nord-Ostsee-Canal, dessen Bau im Wesentlichen 
auf seine Anregungen zurückzuführen ist. So lebhaft im 
Jahre 1848 sich das Verlangen nach einer deutschen Flotte 
und nach der Möglichkeit geäußert hatte, die auf Nord= und 
Ostsee vertheilten Streitkräfte zur See durch einen beide 
Meere verbindenden Canalbau vereinigen zu können, so 
wenig war davon zu spüren, nachdem die beiden Länder in 
preußischen Besitz übergegangen waren. Bismarcks Anregungen 
stießen auf Widerstand bei der Landesvertheidigungs-Commission, 
deren Vorsitzender der Kronprinz war, während die eigent- 
liche Leitung in Moltkes Händen lag. Die Behauptung der 
Militairs, daß ein so kostspieliges Werk, wie der Canal, 
im Kriegsfalle durch einen allzu großen Bruchtheil des Land- 
heeres geschützt werden müsse, war dem Verständniß des 
Königs einleuchtender, als Bismarcks Einwand, daß Kiel mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.