98 XII. Nikolsburg und der Norddeutsche Bund.
Friedensschlusse aufzuerlegen seien, und in den schwierigen
Verhandlungen mit dem Könige, der im Rausche des Sieges
und unter den Einwirkungen ehrgeiziger Militairs den klaren
Blick für das Mögliche sich trüben ließ. Die an sich einfache
Lage verwickelte sich durch die von Oesterreich angerufene Ver-
mittelung Frankreichs, die Napoleon III. willkommene Gelegen-
heit gab, Wasser in den preußischen Wein zu gießen. In seinem
Auftrage erschien der Botschafter in Berlin, Graf Benedetti,
in der Nacht vom 11. zum 12. Juli im Hauptquartier zu
Zwittau.!) Der französische Kaiser hatte das Duell zwischen
Oesterreich und Preußen gern gesehen in der Erwartung, daß
bei der vorausgesetzten Gleichheit der militairischen Kräfte die
Entscheidung ihm anheimfallen werde; seine Dienste wollte er
sich dann in gewohnter Weise bezahlen lassen. Der schnelle
Sieg Preußens fand ihn noch ungerüstet, immerhin hätte eine
französische Kriegserklärung vor Beilegung des österreichischen
Krieges und unter dem beängstigenden Fortschritt der Cholera
alle Erfolge des böhmischen Feldzuges in Frage stellen und
den Rheinbundsgelüsten der deutschen Kleinfürsten einen mäch-
tigen Rückhalt geben können. Bei den Militairs begegnete
Bismarck einer Unterschätzung Frankreichs und seiner mili-
tairischen Kraft, die er nicht theilen konnte, und keinem Ver-
ständniß für seine Bedenken: Moltke hielt Preußen für stark
1) Daß er unerwartet ankam, geht wohl daraus hervor, daß für
seine Aufnahme keinerlei Vorkehrungen getroffen waren; er mußte die
Stube mit Abeken theilen, während sein Secretär Keudells Bett theilte
(Abeken, Ein schlichtes Leben, S. 332). Graf Benedetti hat einem Bericht-
erstatter des „Berl. Local-Anzeigers“, der das Bedürfniß empfand, das
Urtheil des Franzosen über Bismarcks Werk einzuholen, die thatsächliche
Berichtigung ertheilt: „Bismarck wurde zweifellos von seinem Gedächtnisse
im Stiche gelassen, als er schrieb, daß ich unerwartet und unerwünscht in
Nikolsburg auftauchte. Vielleicht wollte er mir sogar ein Compliment
machen, indem er hinzufügte, daß es mir gelungen sei, die Aufmerksamkeit
der Wachtposten zu täuschen, welche beauftragt waren, mich nicht ins
Schloß gelangen zu lassen.“ Entweder hat der Graf die Gedanken und
Erinnerungen nur flüchtig gelesen, oder der Berichterstatter hat unrichtig
gehört. Tertium non datur. Bismarck sagt II, 42: „Inzwischen hatte ich
in den Conferenzen mit Karolyi und mit Benedetti, dem es Dank dem
Ungeschick unserer militairischen Polizei im Rücken des Heeres
gelungen war, in der Nacht vom 11. zum 12. Juli nach Zwittau