Französische Einmischung. Bismarcks Erwägungen. 99
genug, den Krieg gegen Oesterreich defensiv an der Elblinie
weiter zu führen und die Hauptmasse seines Heeres gegen
Frankreich zu werfen und zwar in der Offensive. Die lange
Dauer des deutsch-französischen Krieges, in dem die numerisch
überlegenen Heere des vereinigten Deutschland die glänzendsten
Siege davontrugen und dann einen Monate langen, in einzelnen
Momenten sehr schwierigen Krieg gegen die fast unerschöpflichen
Vertheidigungskräfte der Republik zu führen hatten, hat bewiesen,
daß die Bedenken Bismarcks begründeter waren, als die Sieges-
gewißheit des Strategen. Bismarck wurde durch die militairische
Aussicht eines nach zwei Seiten hin zu führenden Krieges zu
lebhafteren Anstrengungen im Sinne des Friedens bestimmt.
Der Politiker muß die Zukunft im Auge haben, eine
allzu scharf gespannte Senne platzt. Für unsere späteren Be-
ziehungen zu Oesterreich kam es Bismarck darauf an, kränkende
Erinnerungen nach Möglichkeit zu verhüten, wenn es sich ohne
Beeinträchtigung der deutschen Politik thun ließ. Darum war
er gegen einen siegreichen Einzug des preußischen Heeres in
die feindliche Hauptstadt, der zwar dem Ehrgeize der mili-
tairischen Führer geschmeichelt, gleichzeitig aber das Ehrgefühl
des Ueberwundenen empfindlich verletzt hätte, sowie gegen Ab-
tretung von Land und Leuten des österreichischen Staates,
durch welche dieser beständig an seine Niederlage erinnert
zu gelangen und dort plötzlich vor meinem Bette zu erscheinen, die Be-
dingungen ermittelt, unter denen der Friede erreichbar war.“ Nach Nikols-
burg wurde das Hauptquartier erst am 18. Juli verlegt; Benedetti traf
dort von Wien aus am 19. Juli ein. Bismarck kam alles darauf an,
mit den Oesterreichern abzuschließen, ehe die Franzosen sich einmischten;
es ist ganz glaublich, daß er es dem Ungeschick der militairischen Polizei
zuschrieb, wenn Benedetti verhältnißmäßig so schnell das Hauptquartier
erreichte. Vorwände, die Reise eines unbequemen Diplomaten durch die
Linien eines kriegführenden Heeres zu hemmen, sind leicht zu finden. Nur
fehlte wohl die entsprechende Weisung und auf Seiten der militairischen
Polizei der Muth der Verantwortung, umsomehr, da Benedetti Botschafter
eines nominell befreundeten Staates war. Benedetti hat dem Bericht-
erstatter erzählt, daß ihm von Berlin aus ein preußischer Offizier als
Geleit mitgegeben worden sei. Das mag richtig sein, aber es beweist nicht,
daß es auf Bismarcks Weisung geschah. Daß dieser den französischen Bot-
schafter höflich empfing, versteht sich von selbst. Welchen Nutzen hätte es
gehabt, ihn durch brüskes Betragen zu beleidigen?
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