Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

100 XII. Nikolsburg und der Norddeutsche Bund. 
worden wäre. Als vorausschauender Politiker mußte er mit 
der Wahrscheinlichkeit eines französischen Krieges rechnen und 
mit der Möglichkeit eines russischen. In beiden Fällen war 
ein auf den Tod verfeindetes Oesterreich der natürliche Bundes- 
genosse der Feinde Preußens, ein mild behandeltes dagegen 
blieb vermuthlich neutral, konnte sogar unter Umständen zum 
Kampfgenossen gegen Frankreich oder Rußland gewonnen werden. 
Für solche Erwägungen fand Bismarck beim Könige zunächst 
kein Gehör. Der König skizzirte unmittelbar nach Eingang des 
Telegrammes Napoleons die Friedensbedingungen in folgen- 
der Weise: Bundesreform unter preußischer Leitung, Erwerb 
Schleswig-Holsteins, Oesterreichisch-Schlesiens, eines böhmischen 
Grenzstriches, Ostfrieslands, Ersetzung der feindlichen Souveraine 
von Hannover, Kurhessen, Meiningen, Nassau durch ihre Thron- 
folger; später wuchsen noch seine Wünsche: er wollte Theile 
von Sachsen, Hannover, Hessen annectiren, besonders aber 
Ansbach und Bayreuth, deren Rückerwerb ihm sein starkes 
Familiengefühl nahelegte. Die Annexion sächsischen Gebietes 
freilich machte die bestimmte Erklärung des Grafen Karolyi un- 
möglich, daß Oesterreich die Integrität Sachsens als unerläß- 
liche Bedingung festhalten müsse, die Annexion Oesterreichisch- 
Schlesiens verbot die Weigerung Oesterreichs, irgend einen Theil 
seines Gebietes abzutreten; mit um so größerer Zähigkeit hielt 
der König an der Forderung fest, die fränkischen Fürsten- 
thümer für Preußen zu gewinnen, obwohl Bismarck ihn darauf 
aufmerksam machte, daß in diesen Gebieten die Liebe zur 
bayerischen Dynastie fester wurzele als die Erinnerung an 
die vorübergehende Herrschaft der Hohenzollern, und daß ein 
verstümmeltes Bayern bei dem starken Selbstbewußtsein des 
bajuwarischen Stammes und seiner Wittelsbachischen Dynastie 
schwer zu versöhnen sein und also ein Hinderniß der zukünf- 
tigen Einigkeit Deutschlands werden würde. Noch am 24. Juli. 
1866, nachdem schon die Friedensverhandlungen mit Oesterreich. 
in Nikolsburg ihren Anfang genommen hatten, war der Wider- 
stand des Königs gegen eine schonende Behandlung Bayerns 
ohne Gebietsabtretung so stark, daß Minister v. d. Pfordten. 
unverrichteter Dinge wieder abreisen mußte.
	        
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