102 XII. Nikolsburg und der Norddeutsche Bund.
um, als er die Thüre öffnen hörte. Der eintretende Kron-
prinz ward sein rettender Engel. Die Hand ihm auf die
Schulter legend, sprach er: „Sie wissen, daß ich gegen den
Krieg gewesen bin, Sie haben ihn für nothwendig gehalten
und tragen die Verantwortlichkeit dafür. Wenn Sie nun über-
zeugt sind, daß der Zweck erreicht ist und jetzt Friede ge-
schlossen werden muß, so bin ich bereit, Ihnen beizustehen und
Ihre Meinung bei meinem Vater zu vertreten.“ Nach einer
kleinen halben Stunde brachte er die Zustimmung des Königs
in einem Marginale zu einer von Bismarcks letzten Eingaben,
dessen Wortlaut dem Fürsten Bismarck im Gedächtniß geblieben
ist. Es lautete: „Nachdem mein Ministerpräsident mich vor
dem Feinde im Stiche läßt und ich hier außer Stande bin,
ihn zu ersetzen, habe ich die Frage mit meinem Sohne erörtert,
und da sich derselbe der Auffassung des Ministerpräsidenten
angeschlossen hat, sehe ich mich zu meinem Schmerze gezwungen,
nach so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel
zu beißen und einen so schmachvollen Frieden anzunehmen.“
Bismarck stieß sich nicht an die unverbindliche Form, hat die
harten Worte dem König, den er liebte, auch niemals nach-
getragen: „Von dem erwähnten Marginale“, schreibt er in
den „Gedanken und Erinnerungen“, „blieb mir als einziges
Residuum die Erinnerung an die heftige Gemüthsbewegung,
in die ich meinen alten Herrn hatte versetzen müssen, um zu
erlangen, was ich im Interesse des Vaterlandes für geboten
hielt, wenn ich verantwortlich bleiben sollte.“ Wer könnte ohne
Rührung diese schlichten Worte lesen, dieses Bekenntniß einer
Liebe zu seinem „Herrn“, die im Interesse der Sache des
Vaterlandes auch den härtesten Vorwurf schweigend erträgt,
ohne zu grollen?
Nach Unterzeichnung der Präliminarien mit Oesterreich
fanden sich auch die Bevollmächtigten von Württemberg, Baden
und Großherzogthum Hessen in Nikolsburg ein. Während die
der beiden letzten Staaten empfangen wurden, mußte sich Herr
von Varnbüler, der bei Ausbruch des Krieges Preußen ein
drohendes Vac victis! zugerufen hatte, zunächst eine Abweisung
gefallen lassen. Bismarck traute der württembergischen Politik