Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Frankreichs Compensationswünsche. Hohenzollernsche Candidatur. 115 
Preußen nur in seiner Eigenschaft als Chef des Hohenzollern- 
schen Gesammthauses, insoweit ihn die fürstliche Linie in ihren 
Familienangelegenheiten als solchen anerkannte. Weder der 
preußische Staat noch der Norddeutsche Bund konnte sich mit 
der Frage der Besetzung des spanischen Thrones befassen, und 
wenn Bismarck in dieser Angelegenheit dem Fürsten Anton 
und seinem Sohne auf ihr Befragen Rathschläge gab, so that 
er es nicht in seiner Eigenschaft als Kanzler des Norddeutschen 
Bundes, sondern als Privatmann ohne jede Verbindlichkeit 
für Preußen und den von ihm geleiteten Bund. Gewiß ist — 
und er hat es nie bestritten —, daß er dem Prinzen gerathen 
hat, Spaniens Wunsch zu erfüllen, aber ebenso gewiß ist, daß 
er diesen Rath nicht gab in der Hoffnung, dadurch zum Kriege 
mit Frankreich zu gelangen. Er glaubte im Gegentheil, daß 
die Wahl des Prinzen, der dem Napoleonischen Hause näher 
verwandt war als den Hohenzollern in Preußen, in Paris auf 
Widerstand nicht stoßen würde, und hielt es für ganz selbst- 
verständlich, daß der Prinz als König von Spanien danach 
streben würde, die Fühlung mit der kaiserlich französischen 
Politik zu gewinnen, die zu den Vorbedingungen gehörte, unter 
denen er Spanien regieren konnte. 1) Daß er die spanische 
Thronfolge unter dem Gesichtspunkte der deutschen Interessen 
erwog, war seine Pflicht, aber er dachte zunächst mehr an 
wirthschaftliche als an politische Beziehungen, denen ein König 
von Spanien deutscher Abstammung förderlich sein konnte: 
„Ein uns befreundetes Element in der spanischen Regierung 
wäre ein Vortheil gewesen, den a limine abzuweisen in den 
Aufgaben der deutschen Politik kein Grund vorhanden war, 
es sei denn, daß man die Besorgniß, Frankreich könne un- 
zufrieden werden, als einen solchen gelten lassen wollte.“ Die 
  
  
1) Dem widerspricht nicht die Geheimhaltung der Candidatur vor 
Frankreich: sie geschah auf Prims ausdrücklichen Wunsch, der fremden 
Einfluß auf die rein spanische Angelegenheit nach Möglichkeit fernhalten 
wollte. Es ist kaum zulässig, von einem rücksichtslosen Verfahren 
Bismarcks Frankreich gegenüber in der Frage der Candidatur zu sprechen, 
wie Erich Marcks, Wilhelm I. (S. 288) thut. Bismarck war nicht be- 
rechtigt, die Geheimnisse der spanischen Regierung an Frankreich mit- 
zutheilen. 
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