Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Revision der Maigesetze. 145 
Natürlich lebte Fürst Bismarck nicht in der Illusion, 
daß der Friede von ewiger Dauer sein werde. Alles Leben 
ist Kampf, und auch der Streit der beiden Gewalten wird 
niemals ganz zum Abschluß gelangen, so lange nicht eine die 
andere definitiv ihrer Herrschaft unterworfen hat. Insonder- 
heit protestantischen Staaten gegenüber kann Rom wohl aus 
politischen Gründen zu Zeiten den Kampf ruhen lassen, „bei 
jedem modus vivendi aber wird es eine evangelische Dynastie 
und Kirche als eine Unregelmäßigkeit und Krankheit betrachten, 
deren Heilung die Aufgabe der Kirche sei. Ein ewiger Friede 
mit Rom liegt nach den gegebenen Lebensbedingungen ebenso 
außerhalb der Möglichkeit, wie ein solcher zwischen Frankreich 
und dessen Nachbarn“. 
Als Episode ist diesem Capitel eine Erzählung eingefügt, 
die für den feinen politischen Tact Bismarcks ebenso Zeugniß 
ablegt, wie gegen die von seinen Gegnern so oft behauptete 
Habgier. Im September 1873 weilte König Victor Emanuel 
einige Tage in Berlin, um die nach den Ereignissen von 
1866 gelockerte Verbindung zwischen Italien und Preußen 
wieder enger zu knüpfen. Die ultramontane Partei sah selbst- 
verständlich in dieser Anlehnung Italiens an das Deutsche Reich 
einen gegen das Papstthum gerichteten Schlag, um so mehr mußte 
Bismarck alles zu vermeiden suchen, was den Gegnern Anlaß 
zu gehässiger Verdächtigung geben konnte. Nun hatte König 
Victor Emanuel dem italienischen Gesandten in Berlin eine 
mit kostbaren Steinen gefüllte Dose mit dem Auftrage über- 
sandt, sie dem Reichskanzler als Geschenk seines Monarchen 
zuzustellen. Ehe sich Graf Laungay seines Auftrages entledigte, 
zeigte er die Dose mit Angabe des Werthes, der auf mehr 
als 50 000 Francs geschätzt wurde, dem Baron Pergler von 
Perglas, der als bayerischer Gesandter nahe Beziehungen zur 
ultramontanen Partei unterhielt. Die Gefahr lag also nahe, 
den Kanzler zu beschuldigen, daß die Dose ein Gratial des 
italienischen Königs sei, für das Bismarck die Freundschaft 
des Deutschen Reichs dem Feinde des Papstes verkauft habe. 
Bismarck bat deshalb den Kaiser Wilhelm, die Annahme 
des Geschenkes ablehnen zu dürfen, und fand — wenn auch 
Kohl, Wegweiser. 10
	        
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