Zerfall Bismarcks mit den Conservativen. 149
auf diesen ihm schmerzlichen Vorgang, „anstatt mit mir zu
brechen und mich mit einem Fanatismus zu bekämpfen, worin
sie keiner staatsfeindlichen Partei etwas nachgab, der Regierung
des Kaisers geholfen hätte, in ehrlicher gemeinsamer Arbeit
die Reichsgesetzgebung auszubauen, so würde der Ausbau nicht
ohne tiefe Spuren solcher conservativen Mitarbeit geblieben
sein. Ausgebaut mußte werden, wenn die politischen und
militairischen Errungenschaften vor Zerbröckelung und centri-
sugaler Rückbildung geschützt werden sollten.“ Ob das schließ-
lich in mehr conservativen oder in mehr liberalen Formen
geschah, darauf konnte es einem Staatsmanne nicht ankommen,
der, nicht durch Parteidoctrinen verblendet, das Wohl des
Deutschen Reichs allein im Auge hatte und das Zutrauen
zum deutschen Volke hegte, daß es Auswüchse und Fehler der
nationalen Einrichtungen heilen und ausmerzen werde, sobald
es sich das Recht der freien Selbstbestimmung durch Herstellung
einer zum Selbstschutze hinreichend starken Einheit gewonnen
haben würde.
Der engere Anschluß Bismarcks an die Nationalliberalen
steigerte die Feindschaft der Conservativen bis zu den berüch-
tigten Aera-Artikeln der „Kreuz-Zeitung“, in denen gegen den
Fürsten Bismarck, allerdings in einer für den Strafrichter
schwer faßbaren Weise, die gehässigsten Verdächtigungen aus-
gestreut wurden, und den schamlosen Angriffen der „Reichs-
glocke“, eines Blattes, das seine Mitarbeiter in den höchsten
Kreisen des preußischen Adels hatte und durch Vermittelung
des Ministers v. Schleinitz selbst am Hofe des Kaisers Wilhelm
mit Eifer verbreitet wurde. Fürst Bismarck knüpft an die
Erzählung über die Form, in der sich die Feindschaft äußerte,
allgemein gültige Bemerkungen über die Rohheit des Partei-
kampfes überhaupt, die ich den Lesern dieser Blätter nicht
vorenthalten will: „Jeder, der in heutiger Zeit in politischen
Kämpfen gestanden hat, wird die Wahrnehmung gemacht
haben, daß Parteimänner, über deren Wohlerzogenheit und
Rechtlichkeit im Privatleben nie Zweifel aufgekommen sind,
sobald sie in Kämpfe der Art gerathen, sich von den Regeln
des Ehrgefühles und der Schicklichkeit, deren Autorität sie