Gruners Ernennung. Ressortpatriotismus. 161
Sonderinteressen zu leiden“. Dem Fürsten Bismarck ist alle—
zeit der „Ressortpatriotismus“ fremd geblieben, der alles außer-
halb des Ressorts Stehende als Ausland ansieht, dem man
jeden Schaden anthun kann, wenn nur das Ressort Nutzen
davon hat. Auch „der Neigung, neue eingreifende Gesetze oder
Organisationen zu machen, der Neigung, vom grünen Tische
aus zu reglementiren“, ist er bei seinen Collegen nicht selten
entgegengetreten, weil er wußte, „daß, wenn nicht sie selbst,
so doch ihre Räthe die Gesetzmacherei übertrieben, und daß so
manche vortragenden Räthe in den inneren Ressorts seit dem
Examen her Projecte in ihren Fächern haben, durch die sie
die Unterthanen des Reiches zu beglücken suchen, sobald sie
einen Chef finden, der darauf eingeht". Man muß wünschen,
daß auch in Zukunft an der Spitze des Reiches und der
Einzelstaaten Minister stehen, die nicht vergessen, daß sie nicht
bloß Ressortminister, sondern zugleich St#aatsminister sind,
daß jedes Ressort seine Sonderinteressen nur insoweit verfolgen
darf, als sie nicht mit den allgemeinen Interessen des Staates,
mit dem Staatszweck, collidiren. Dazu aber bedarf es der
regulirenden Autorität, im Einzelstaate des Ministerpräsidenten,
im Reiche des Reichskanzlers, und wenn seit 1890 die An-
schauung mehr und mehr Boden gewonnen hat, als seien die
Reichsämter selbständige Organe der Reichsregierung, die unter
eigener Verantwortlichkeit in Fragen ihres Ressorts entscheiden.
könnten, so steht dies im Widerspruche mit der Reichsverfassung,
in die Fürst Bismarck mit gutem Grunde die alleinige Ver-
antwortlichkeit des Reichskanzlers ausgenommen hat.
In welchem Sinne Fürst Bismarck bei den Ressorts der
Anwalt des praktischen Lebens gewesen ist, hat er zu Nutz und
Frommen der nachkommenden Geschlechter in den „Gedanken
und Erinnerungen“" festgelegt. Hoffen wir, daß die Zeit kommt,
da auch diesen Gedanken der Sieg über bureaukratische Be-
schränktheit zufällt: Bismarck selbst ist es nicht beschieden ge-
wesen, sie innerhalb des preußischen Staatsministeriums zur
Geltung zu bringen.
Auf dem Gebiete der Schule besitzt der preußische
Cultusminister noch heute eine Vollmacht, wie sie kein anderer
Kohl, Wegwelser. 11