Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

22 IV. Bis zum Ersten Vereinigten Landtage. 
Conflicts unter der Herrschaft der Fortschrittsphrase üblich, 
Herrn v. Bismarck die „Vorurtheile seines Standes“ anzuheften 
und als Ausgangspunkt und Triebfeder seiner innern Politik 
die Erinnerung an die frühere Bevorrechtigung des Adels zu 
bezeichnen. Das Wort „Junker“ war in liberalem Munde 
eine Art Brandmal, das den davon Betroffenen als „beschränkt"“ 
im weitesten Sinne des Wortes kennzeichnen sollte. Bismarck 
macht darauf aufmerksam, wie wenig die Eindrücke seiner 
Kindheit geeignet waren, ihn zu verjunkern. Sein Vater, der 
Rittmeister Ferdinand v. Bismarck, war von aristokratischen 
Vorurtheilen frei, und seine Mutter Wilhelmine, die Tochter 
des höchst liberal gesinnten Cabinetsraths Friedrichs des 
Großen, Friedrich Wilhelms II. und III., Mencken, war von 
reactionairen Anschauungen so weit entfernt, daß Bismarck 
überzeugt ist, daß er für die Richtung seiner ministeriellen 
Thätigkeit niemals die Billigung seiner Mutter gefunden haben 
würde. Brachte er also aus dem Elternhause keinerlei an- 
geborenes oder anerzogenes Standesgefühl mit, so ließ die 
harte Erziehung der Plamannschen Schule und die Abneigung 
der Mitschüler und Lehrer gegen Träger adliger Namen, unter 
der er auf dem Gymnasium zum Grauen Kloster zu leiden 
hatte, noch weniger ein Gefühl in ihm aufkommen, das ihm 
von Natur fremd war. Ebensowenig war Herr v. Bismarck 
jemals eingeschworen auf den Absolutismus des preußischen 
Königthums. Wenn er auf dem Vereinigten Landtage als 
Vorkämpfer der Rechte der preußischen Krone auftrat, so geschah 
es, weil er ihr das Recht freihalten wollte, ohne Ueberstürzung 
selbst das Maß ihrer Beschränkung zu bestimmen. Die durch 
Presse und Parlament geübte Kritik hielt schon der Bismarck 
von 1847 für ein nothwendiges Correctiv monarchischer Ein- 
richtungen, „um den Monarchen vor der Gefahr zu behüten, 
daß Weiber, Höflinge, Streber und Phantasten ihm Scheu- 
klappen anlegten, die ihn hinderten, seine monarchischen Auf- 
gaben zu übersehen und Mißgriffe zu vermeiden oder zu 
corrigiren.“ Sein Ideal war immer eine monarchische Gewalt, 
welche durch eine unabhängige — ständische oder berufs- 
genossenschaftliche — Landesvertretung soweit controllirt wäre,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.