Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Krimkrieg. Gegensätze der Meinungen am preußischen Hofe. 39 
hielt die Gelegenheit für günstig, um Preußen aus der secun- 
dären und unwürdigen Lage herauszuheben und an die Spitze 
der deutschen Mittel= und Kleinstaaten zu stellen, die gegenüber 
dem österreichisch-westmächtlichen Drucke bei Preußen Schutz 
suchten und nur in einer von Preußen gedeckten Neutralität 
ihr Interesse gewahrt sahen. Wenn der König auch für den 
Plan, den Bismarck ihm entwickelte, nicht unempfänglich war, 
so siegten doch bei ihm die Bedenken gegen eine Initiative im 
Sinne einer selbständigen preußischen Politik. Die Worte: 
„Liebeken, das is sehr schöne, aber es is mich zu theuer“ 
kennzeichnen zur Genüge die thatlose Schwäche dieses geist- 
reichsten aller preußischen Könige. 
Die Leiter der Wochenblattspartei wiegten sich in dieser 
Zeit in großen Entwürfen, die sie in umfangreichen Denkschriften 
entwickelten, für die sie aber auch die Mitwirkung Bismarcks 
zu gewinnen suchten. Unter dem Einflusse der Haxthausenschen 
Theorie — daß die drei Zonen mit ihren einander ergänzenden 
Producten den hundert Millionen Russen, wenn sie vereinigt 
blieben, das Uebergewicht über Europa sichern müßten —, planten 
sie nichts Geringeres als eine Zerstückelung Rußlands zu 
Gunsten Preußens und Schwedens, die Herstellung einer 
Republik Polen im Umfange von 1772 und die Zersetzung des 
Restes durch Theilung zwischen Groß= und Kleinrussen. Herr 
v. Bismarck war für dergleichen Utopien, wie sie der preußische 
Gesandte in London, Herr v. Bunsen, selbst seinem Minister 
in umfänglichen Denkschriften zu entwickeln wagte, nicht zu 
haben; er versuchte auch den Prinzen von Preußen aus dem 
Bannkreise der politischen Theorien zu befreien, in denen er 
unter häuslicher, englischer und Bethmann-Hollwegscher Ein- 
wirkung befangen war, mußte aber bemerken, daß der Einfluß 
der Frau Prinzessin auf den Gatten stärker war als die von 
ihm vorgetragene Auffassung. Der Prinz blieb einer activen, 
gegen Rußland gewendeten preußischen Politik zugeneigt. 
Bismarcks Argumente gegen eine russenfeindliche Politik gelten 
auch heute noch, es lohnt ihnen nachzudenken. Deutschland 
hat, wie Bismarck auch später immer wieder betont hat, an der 
orientalischen Frage kein Interesse, das einen Krieg mit Rußland
	        
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