Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

44 VI. Aus der Frankfurter Zeit. 
die Bildung der Ersten Kammer sich erhob. Der König 
wünschte eine Art Oberhaus zur Stütze der königlichen Autorität, 
die conservative Partei der Zweiten Kammer eine durch Wahlen 
zusammenzusetzende Erste Kammer. Herr v. Bismarck, der in 
dieser Frage damals noch keine persönliche Ueberzeugung hatte, 
nahm es auf sich, die Wünsche des Königs seinen Fractions= 
genossen gegenüber geltend zu machen, wenn er sich auch bei 
dem Widerstande der Parteileitung keinen rechten Erfolg davon 
versprach. Indem er nicht sowohl für die vorliegende Auf- 
fassung des Königs, als für das grundsätzliche Zusammenhalten 
mit ihm eintrat, gelang es ihm, die Fraction für seinen Ge- 
danken zu gewinnen: bei der Abstimmung blieb die Fractions- 
leitung isolirt. Im Rückblick auf diese Dinge muß Bismarck 
zugeben, daß die Fractionsführer im Grunde dem Könige 
gegenüber Recht hatten, wenn sie ein aus königlicher Berufung 
hervorgehendes Herrenhaus als ein ungeeignetes Organ par- 
lamentarischer Mitregierung im constitutionellen Staate be- 
trachteten. „Die Erste Kammer war zur Lösung der Aufgaben, 
welche einer solchen im constitutionellen Leben zufallen, be- 
fähigter als das heutige Herrenhaus. Sie genoß in der Be- 
völkerung eines Ansehens, welches das Herrenhaus sich bisher 
nicht erworben hat. Das letztre hat zu einer hervorragenden 
politischen Leistung nur in der Conflictszeit Gelegenheit gehabt 
und sich damals durch die furchtlose Treue, mit der es zur 
Monarchie stand, auf dem defensiven Gebiete der Aufgabe 
eines Oberhauses völlig gewachsen gezeigt. Es ist wahrscheinlich, 
daß es in kritischen Lagen der Monarchie dieselbe tapfre Festig- 
keit beweisen wird. Ob es aber für Verhütung solcher Krisen 
in den scheinbar friedlichen Zeiten, in denen sie sich vorbereiten 
können, denselben Einfluß ausüben wird, wie jene Erste Kammer 
gethan hat, ist mir zweifelhaft. Es verräth einen Fehler in 
der Constitution, wenn ein Oberhaus in der Einschätzung der 
öffentlichen Meinung ein Organ der Regierungspolitik oder 
selbst der königlichen Politik wird. Nach der preußischen Ver- 
fassung hat der König mit seiner Regierung an und für sich 
einen gleichwerthigen Antheil an der Gesetzgebung wie jedes 
der beiden Häuser; er hat nicht nur sein volles Veto, sondern
	        
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