Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Nikolaus I. Petersburger Gesellschaft. Straßenleben. 53 
nutzte das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wurde, im 
Sinne der Wiederherstellung innigerer Beziehungen zwischen 
den beiden nahe verwandten Höfen. 
In der damaligen Petersburger Gesellschaft ließen sich, 
wie Fürst Bismarck erzählt, drei Generationen unterscheiden. 
Die vornehmste, die europäisch und classisch gebildeten Crands 
Seigneurs aus der Regierungszeit Alexanders I., vertreten 
durch Mentschikow, Woronzow, Bludow, Nesselrode und — 
nach Geist und Bildung — auch durch Gortschakow, war im 
Aussterben begriffen. Die zweite Generation, Zeit= und Ge- 
sinnungsgenossen des Kaisers Nikolaus, pflegte sich in der 
Unterhaltung auf Hofangelegenheiten, Theater, Avancement 
und militairische Erlebnisse zu beschränken. Zu ihr gehörten 
der charaktervolle, höfliche und zuverlässige Orlow, die Grafen 
Adlerberg, Vater und Sohn, Graf Peter Schuwalow, Fürst 
Suworow, der Eisenbahngeneral Tschewkin und Baron Peter 
v. Meyendorff, der Gatte einer der liebenswürdigsten Frauen, 
einer Schwester des Grafen Buol, „die in noch höherem Grade 
als ihre Schwester, Frau v. Vrints in Frankfurt, den Beweis 
lieferte, daß in der gräflichen Familie Buol der erbliche Ver- 
stand ein Kunkellehn war“. Die dritte Generation war die 
der jungen Herren, die ihre Stärke darin suchten, durch 
schlechte Manieren und durch eine gern zur Schau getragene 
Abneigung gegen deutsche, insbesondere preußische Elemente, 
zu imponiren, auf Fragen in deutscher Sprache gar nicht zu 
antworten und Bürgerlichen gegenüber unter das Maß von 
Höflichkeit herabzugehen, welches sie in den Uniform oder 
Orden tragenden Kreisen unter einander beobachteten. 
Wie in einem früheren Capitel über das Straßenleben 
in Paris, so macht Fürst Bismarck auch über das Straßen- 
leben in Petersburg Mittheilungen von allgemeinerem Inter- 
esse. Hier wie dort spielte der monsieur décoré eine wichtige 
Rolle; das Abzeichen irgend eines Ordens verschaffte dem 
Träger ein Ansehen, dessen Bethätigung er in der Behandlung 
erfuhr, die ihm von Vorübergehenden, Kutschern und Organen 
der öffentlichen Ordnung zu Theil wurde. „Schon zu Pferde, 
wenn in Civil und ohne Reitknecht, lief man Gefahr, von den
	        
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