Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Die Ministerkrisis von 1861 und ihre Beilegung. 59 
zusammen mit Bismarcks Antwort vom 2. Juli ausgenommen 
worden ist, und in scharfen Umrissen die Sachlage zeichnet. 
Auf Roons Ruf „an die Pferde“ machte sich Bismarck als- 
bald auf den Weg, um sich dem Könige zur Verfügung zu 
stellen; aber ehe er (am 9. Juli) nach Berlin kam, war dort 
die Krisis beigelegt. Am 3. Juli hatte der König das Mani- 
fest erlassen, daß er das Herkommen der Erbhuldigung zwar 
festhalte, in Betracht der Veränderungen aber, die in der 
Verfassung der Monarchie unter der Regierung seines Bruders 
eingetreten seien, beschlossen habe, anstatt der Erbhuldigung 
die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche die erbliche 
Königswürde begründet sei. Es war ein schlecht verhüllter 
Rückzug der Krone, und eine tiefe moralische Depression spricht 
aus dem Briefe, in dem Roon seinem treuen Freunde den 
Verlauf der Krisis schildert. Nur das eiserne Pflichtgefühl 
des Vasallen hielt damals Roon auf seinem Posten fest: „Ich 
sehe keine, keine Rettung“, klagt er, „wenn uns Gott der 
Herr nicht hilft. In dem Proceß der allgemeinen Zersetzung 
vermag ich nur noch einen widerstandsfähigen Organismus 
zu erkennen, die Armee; sie unverfault zu erhalten, das ist 
die Aufgabe, die ich noch für lösbar erachte, aber freilich nur 
noch für einige Zeit. Auch sie wird verpestet werden, wenn 
sie nicht zu Thaten kömmt, wenn ihr nicht von oben gesunde 
Lebensluft zugeführt wird, und das, auch das wird alle Tage 
schwieriger“. Unter den veränderten Umständen war dem 
Könige das Erscheinen Bismarcks, der sich auf Weisung des 
Ministers Schleinitz am 10. Juli nach Baden an den Hofhalt 
begab, unbequem; doch lud er ihn zur Tafel und gewährte 
ihm den erbetenen, dreimonatigen Urlaub:) bis über die 
Krönung hinaus, der Bismarck am 18. October in Königs- 
berg beiwohnte, gegen die Kälte durch eine dicke Militairuniform 
und eine Perücke geschützt, „gegen die Bernhards nur den 
  
  
1) Während desselben arbeitete er die Denkschrift über die deutsche 
Frage aus, deren Entwurf er dem Könige in Baden vorgelegt hatte; vgl. 
die Briefe vom 18. Sept. und 2. October 1861, Bismarckbriefe 7. Aufl. 
S. 313 ff. 321, die Denkschrift Bismarck-Jahrbuch Ill 193 ff., Bismarck- 
briefe 7. Aufl. S. 315 ff.
	        
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