Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

64 VIII. Ein Rückblick auf die preußische Politik. 
trat diese Vasallenschaft Preußens in den Zeiten Nikolaus' J. 
hervor, wo Preußen „in allen europäischen Constellationen von 
1831—1850 russische Wechsel acceptirt und honorirt hat, bis 
nach 1848 der junge österreichische Kaiser dem russischen besser 
gesiel als der König von Preußen“ und der russische Schieds- 
richter „kalt und hart“ in Olmütz gegen Preußen und seine 
deutschen Bestrebungen entschied. Seine Neutralität im Krim- 
kriege, seine wohlwollende Haltung im Polenaufstande 1863 
gaben Preußen Rußland gegenüber ein Saldo, das den An- 
spruch auf russische Gegenleistungen gerechtfertigt haben würde, 
wenn man nur das Selbstgefühl besessen hätte, ihn kräftig 
geltend zu machen. Dieses Selbstgefühl aber fehlte in den 
Zeiten Friedrich Wilhelms IV. ganz, obwohl die militairischen 
Einrichtungen Preußens denen Rußlands, Oesterreichs und 
selbst Frankreichs überlegen waren und mit voller Genauigkeit 
arbeiteten. „Aber", sagt Bismarck, „eine selbständige preu- 
ßhische Politik hat in der Zeit von 1806 bis in die vierziger 
Jahre überhaupt nicht bestanden; unsere Politik wurde ab- 
wechselnd in Wien und in Petersburg gemacht. Soweit sie 
in Berlin von 1786 bis 1806 und von 1842 bis 1862 selb- 
ständig ihre Wege suchte, wird sie vor der Kritik vom Stand- 
punkte eines strebsamen Preußen kaum Anerkennung finden.“ 
Preußen wollte als Großmacht gelten, und war es bis 1866 
doch nur mehr dem Namen als der That nach; es war zwar 
ängstlich bemüht, den Schein aufrecht zu erhalten, und suchte 
durch Eindrängen in den Pariser Congreß die Anerkennung 
seiner Großmachtstellung von den übrigen Mächten zu erzwingen, 
bewies aber gerade dadurch unzweideutig, daß es noch weit 
davon entfernt war, eine Großmacht zu sein. Statt sich im 
Bewußtsein seiner Stärke auf sich selbst zurückzuziehen und 
seinen Vortheil abzuwarten, band es sich durch die nach- 
trägliche Unterschrift der Congreßbeschlüsse selbst die Hände und 
schuf sich dadurch Unbequemlichkeiten, die sich der deutschen Politik 
in den Londoner Besprechungen von 1870 über die Aufhebung 
der Schwarzen-Meer-Bestimmung unangenehm fühlbar machten. 
Im Zusammenhang damit erörtert Fürst Bismarck die 
Frage, wer für die Fehler in der Politik eines Staates ver-
	        
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