Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Krönung Wilhelm's I. Gespräch m. b. Königin. Ministerium Hohenlohe. 285 
  
König vermied, mit mir über Politik zu reden, wahrscheinlich 
in der Besorgniß, durch Beziehungen zu mir in eine reactionäre 
Beleuchtung zu gerathen. Diese Besorgniß beherrschte ihn noch 
im Mai 1862 und sogar noch im September 1862. Er hielt 
mich für fanatischer, als ich war. Nicht ohne Einfluß war wohl 
auch die Erinnrung an meine Kritik der Befähigung des neuen 
Cabinets, die ich ihm vor meinem Abgange nach Petersburg 
gegeben hatte 7. 
3. 
Schon in der Berufung des Prinzen Adolf von Hohenlohe- 
Ingelfingen zum Vertreter des Ministerpräsidenten Fürsten 
Hohenzollern, März 1862, lag eine Art von ministerieller 
Wechselreiterei, die auf kurze Verfallzeit berechnet war?#). Der 
Prinz war ein kluger Herr, liebenswürdig, dem Könige unbe- 
dingt ergeben, und hatte sich an unfrer innern Politik, wenn 
auch mehr dilettantisch, doch lebhafter betheiligt als die meisten 
seiner Genossen von standesherrlichem Adel; aber er war der 
Stelle eines Ministerpräsidenten in bewegten Zeiten körperlich 
und vielleicht auch geistig nicht mehr gewachsen und suchte diesen 
Eindruck, als ich ihn im Mai 1862 sah, mir gegenüber absicht- 
lich zu verstärken, während er mich beschwor, ihn durch schleunige 
Uebernahme des Ministeriums von seinem Martyrium zu er- 
lösen, unter dem er zusammenbreche. 
Ich kam damals noch nicht in die Lage, seinen Wunsch er- 
füllen zu können, hatte auch keinen Drang dazu. Schon als 
ich von Petersburg nach Berlin berufen wurde, hatte ich nach 
den Windungen unfrer parlamentarischen Politik annehmen 
können, daß diese Frage an mich herantreten würde. Ich kann 
nicht sagen, daß mich diese Aussicht angesprochen, thatenfreudig 
gestimmt hätte, mir fehlte der Glaube an dauernde Festigkeit 
1) S. o. S. 240 f. 
:) Vgl. Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben II 30 ff.
	        
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