18 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage.
Regirung im Parlamente und in der Presse erstrebt werde,
um den Monarchen vor der Gefahr zu behüten, daß Weiber,
Höflinge, Streber und Phantasten ihm Scheuklappen anlegten,
die ihn hinderten, seine monarchischen Aufgaben zu übersehn
und Mißgriffe zu vermeiden oder zu corrigiren. Diese meine
Auffassung hat sich um so schärfer ausgeprägt, je nachdem ich
mit den Hofkreisen mehr vertraut wurde und gegen ihre Strö-
mungen und gegen die Opposition des Ressortpatriotismus das
Staatsinteresse zu vertreten hatte. Letztres allein hat mich
geleitet, und es ist eine Verleumdung, wenn selbst wohlwollende
Publizisten mich beschuldigen, daß ich je für ein Adelsregiment
eingetreten sei. Die Geburt hat mir niemals als Ersatz für
Mangel an Tüchtigkeit gegolten; wenn ich für den Grundbesitz
eingetreten bin, so habe ich das nicht im Interesse besitzender
Standesgenossen gethan, sondern weil ich im Verfall der Land-
wirthschaft eine der größten Gefahren für unsern staatlichen
Bestand sehe. Mir hat immer als Ideal eine monarchische
Gewalt vorgeschwebt, welche durch eine unabhängige, nach
meiner Meinung ständische oder berufsgenossenschaftliche Landes-
vertretung soweit controllirt wäre, daß Monarch oder Parla=
ment den bestehenden gesetzlichen Rechtszustand nicht einseitig,
sondern nur communi consensu ündern können, bei Oeffentlich-
keit und öffentlicher Kritik aller staatlichen Vorgänge durch
Presse und Landtag 7.
Die Ueberzeugung, daß der uncontrollirte Absolutismus,
wie er durch Louis XIV. zuerst in Scene gesetzt wurde, die
1) Die hier und an andern Stellen des Werkes niedergelegten An-
sichten Bismarcks über Absolutismus, Parlamentarismus, Minister-
stellung, Regirung im Innern hat Fürst Bismarck schon als leitender
Staatsmann amtlich und auch im Privatverkehr geäußert. Ein prinzi-
pieller Gegner des Parlamentarismus ist Bismarck nicht gewesen, wohl
aber sah er eine bloß auf Kammermehrheiten gestützte Regirung für
ebenso unmöglich an wie den monarchischen Absolutismus, vol. Wil-
mowski, Meine Erinnerungen an Bismarck. S. 161 ff.