Windthorst's Besuch. Die Cabinetsordre vom 8. Sept. 1852. 83
Ich erklärte, die Sache läge nicht so. Jene Ordre vom
8. September 1852, die seit unfrem Verfassungsleben in Kraft
stände, sei für jeden Ministerpräsidenten unentbehrlich; sie ver-
lange nur, daß er bei wichtigen principiellen neuen Anregungen
vor Einholung der Allerhöchsten Entscheidung unterrichtet werde,
da er anders die Gesammtverantwortung nicht tragen könne;
wo ein Ministerpräsident existire, müsse auch der Inhalt jener
Ordre maßgebend sein. Der Kaiser behauptete, die Ordre
schränke seine königliche Prärogative ein, er verlange ihre Zurück-
nahme. Ich machte darauf aufmerksam, daß die drei Vorgänger
Sr. Mojestät mit jener Ordre regirt hätten; es habe seit 1862
kein Bedürfniß vorgelegen, auf dieselbe Bezug zu nehmen, weil
sie als selbstverständlich stets beobachtet worden sei. Ich hätte
sie jetzt in Erinnerung bringen müssen, um meine Autorität
gegenüber Ministern zu wahren, die sie unbeachtet gelassen
hätten. Die Vorträge der Minister würden durch die Ordre
nicht eingeschränkt, nur eine Mittheilung an den Premierminister
bedingt, wenn neue allgemeine Einrichtungen bei Sr. Majestät
angeregt werden sollten, damit Jener in der Lage sei, in Fällen,
die ihm wichtig schienen, seine eventuell abweichende Auffassung
in gemeinschaftlichem Vortrage zur Geltung zu bringen. Der
König könne dann immer nach seinem Ermessen entscheiden;
es sei unter Friedrich Wilhelm IV. mehr als einmal vor-
gekommen, daß der König dann gegen den Premierminister
entschieden habe.
Ich brachte sodann an der Hand eingegangner Depeschen
den Besuch in Rußland zur Sprache, zu dem Sec. Majestät sich
für den Sommer angemeldet hatte &). Ich erneuerte meine
Abmahnung und unterstützte sie durch die Erwähnung geheimer
Berichte aus Petersburg, die Graf Hatzfeldt aus London ein-
gesandt habe; sie enthielten ungünstige angebliche Aeußerungen
&) Siehe S. 49 unten.