Erwartung des Abschiedsgesuchs. Kiewer Berichte. 89
oder weniger voluminöse, zusammen über hundert Seiten starke
Berichte eingesandt, deren ältester mehrere Monate alt, dessen
Inhalt also muthmaßlich für unfren Generalstab nicht neu war.
Für die Behandlung der Berichte militärischen Inhalts bestand
die Praxis, daß diejenigen, die nicht wichtig und dringend ge-
nug erschienen, um von dem Auswärtigen Amte direct dem
Kaiser vorgelegt zu werden, unter der Doppeladresse 1) an den
Kriegsminister, 2) an den Chef des Generalstabs zur Kenntniß-
nahme und mit der Bitte um Rückgabe gesandt wurden. Sache
des Generalstabs war es, militärisch Neues und Bekanntes,
Wichtiges und Unwichtiges zu sondern und das Erstere durch
das Militärcabinet zur Kenntniß Sr. Majestät zu bringen. In
dem vorliegenden Falle hatte ich vier von den Berichten, ge-
mischt politischen und militärischen Inhalts, direct dem Kaiser
vorgelegt, sechs ausschließlich militärische unter der obigen Doppel-
adresse abgehen lassen und die vier übrigen dem betreffenden
Rathe zum Vortrag geschrieben, um zu sehn, ob sie etwas ent-
hielten, was höherer Entscheidung bedurfte. Der Kaiser mußte
im Widerspruch mit dem üblichen und allein möglichen Ge-
schäftsgange angenommen haben, daß ich diejenigen Berichte,
die ich dem Generalstabe geschickt, ihm hätte vorenthalten wollen.
Ich würde freilich, wenn ich Dinge vor Gr. Majestät geheim
halten wollte, nicht gerade dem Generalstabe, dessen Leiter nicht
alle meine Freunde waren, beziehungsweise dem Kriegsminister
von Verdy die unehrliche Geheimhaltung von Actenstücken zu-
gemuthet haben.
Also, weil ein Consul einige, zum Theil drei Monat alte mili-
tärische Vorgänge aus dem Bereich seiner Wahrnehmung be-
richtet hatte, unter anderem die dem Generalstab bekannte Ver-
setzung einiger Sotnien Kosaken nach der östreichischen Grenze,
sollte Oestreich in Alarm gesetzt, Rußland bedroht, der Krieg
vorbereitet und der Besuch, zu dem Se. Majestät sich aus eig-
nem Antriebe angemeldet hatte, ausgegeben werden; und weil