Neuntes Kapitel.
Graf Caprivi.
Wie lange und wie tief die der Ressort-Eifersucht im
Kriege 66 entsprungenen militärischen Verstimmungen nach-
wirkten und an dem wachsenden Uebelwollen meiner Standes-
und ehemaligen Parteigenossen Anlehnung nahmen, hatte ich
unter andern aus der Mittheilung ersehen, welche mir der
Feldmarschall von Manteuffel machte, daß der General von
Caprivi sich gegen ihn unausfgesordert und eindringlich über
die Gefahr, die uns durch meine, des leitenden Ministers,
„Feindschaft gegen die Armec“ bereitet werde, ausgesprochen
und dagegen des Marschalls Einfluß beim Könige zu Hülfe
gerufen habe. Dieser, auch dem Feldmarschall unerwar-
tete Ausbruch latenter Feindschaft und Caprivi's gleichzeitiger
Verkehr in den Conventikeln, die um den Grasen Roon
und in dem Caprivi befreundeten Hause des Geheimrathes
von Lebbin (Ministerium des Innern) gegen mich thätig
waren ), haben mich nicht abgehalten, die hohe Meinung,
welche ich von seiner militärischen Begabung auf Grund
competenter Zeugnisse hegte, bei gebotenen Gelegenbeiten
geltend zu machen. Vor und nach seiner Ernennung zum Chef
der Marine, die 1883 gegen meinen Rath erfolgte, empfahl
ich dem Kaiser Wilhelm I., einen General, der wie er Ver-
trauen in der Armee besäße, bei den damaligen zweiselhaften
Friedensaussichten nicht dem Landheere zu entziehen, nicht die
X) S. Bd. 1I 152 f. [I.= II 179 f. der Volks-, II 175 f. der Neuen
Ausgabe.]